Er kann nach eigenen Angaben nur kurze Sätze. Doch die haben es oft in sich. Der frühere Vizekanzler und SPD-Chef Franz Müntefering wird 85. Ein Rückblick auf ein bewegtes politisches Leben.
Franz Müntefering, ehemaliger SPD-Bundesvorsitzender und Vizekanzler, wird am 16. Januar 85 Jahre alt. Der im westfälischen Neheim geborene gelernte Industriekaufmann hat die SPD in zahlreichen Ämtern in den vergangenen Jahrzehnten stark geprägt.
Seine wechselvolle politische Karriere begann im Stadtrat von Sundern im Sauerland, dem er von 1969 bis 1979 angehörte. Von 1975 bis 1992 saß er erstmals im Bundestag, von 1996 bis 1998 war er Mitglied im NRW-Landtag und dort auch Minister. Dem Bundestag gehörte er erneut von 1998 bis 2013 an. 1998 bis 1999 war Franz Müntefering Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen im Kabinett Schröder, von 2002 bis 2005 Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, von 2005 bis 2007 Vizekanzler und Bundesarbeitsminister im ersten Kabinett von Angela Merkel (CDU).
SPD-Parteichef war er 2004 bis 2005 und 2008 bis 2009. Als SPD-Bundesgeschäftsführer seit 1995 hatte er großen Anteil an Gerhard Schröders Wahlsieg 1998 und der ersten rot-grünen Bundesregierung. 2004 übernahm er den Parteivorsitz von dem politisch immer stärker unter Druck geratenen Schröder. Mit der Großen Koalition ab 2005 setzte sich der allmähliche Niedergang der SPD fort. Vizekanzler Müntefering warf im November 2005 den Parteivorsitz hin, weil die Parteilinke um Andrea Nahles seine Personalpolitik durchkreuzt hatte. Im November 2007 zog sich Müntefering vorübergehend aus Regierung und Partei zurück, um seine krebskranke Frau Ankepetra zu pflegen.
Im Juli 2008 kehrte er nach dem Tod seiner Frau wieder in die Politik zurück. Wenig später wurde er an Stelle des glücklosen SPD-Chefs Kurt Beck wieder zum Parteichef gewählt. Als die SPD 2009 die Bundestagswahl verlor, stellte Müntefering sein Amt zur Verfügung. Im Bundestag blieb er bis 2013 aktiv.
Nach seinem Ausscheiden engagierte sich der aus einer katholischen Arbeiterfamilie stammende Müntefering weiterhin in zahlreichen Ehrenämtern, etwa als Chef der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen, als Präsident des Arbeiter Samariter Bundes und als Beiratsvorsitzender des Berliner Demografie Forums. In Vorträgen und Büchern warb er für eine verbesserte Begleitung Sterbender und wandte sich gegen aktive Sterbehilfe und ärztliche Beihilfe zum Suizid. Auch die alternde Gesellschaft und ein stärkeres Engagement der Senioren für Gesellschaft und Demokratie sind Anliegen.
Den Glauben an Gott und ein Leben nach dem Tod hat er nach eigenen Angaben verloren. Auch von der Kirche hat er sich distanziert. Bekannt wurde der Mann, der nach eigener Darstellung nur “kurze Sätze kann”, mit der Aussage, das Amt des SPD-Parteichefs sei “das schönste Amt neben dem Papst”. In einem Anfang 2024 erschienenen Buch präzisiert Müntefering, dass es ein SPD-Vorsitzender leichter habe als das Kirchenoberhaupt. “Als Papst und als SPD-Vorsitzender muss man aufpassen, dass man kein Scheinriese wird, die Bücklinge nicht überbewertet, einem die große Mütze nicht vom Kopf fällt.”