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Klima, Migration, Frauen: Merkel vor voll besetzten Papphockern

Jeder einzelner Papphocker ist besetzt, als Altkanzlerin Angela Merkel zur Bibelarbeit bittet. In Sachen Klima gibt sie sich selbstkritisch – und bekommt am Ende Applaus im Stehen.

Angela Merkel spricht bei ihrer Bibelarbeit über einen Text aus dem Markusevangelium
Angela Merkel spricht bei ihrer Bibelarbeit über einen Text aus dem Markusevangeliumepd-bild / Tim Wegner

Angela Merkel (CDU) ist Pfarrerstochter. Mit der Bibel kennt sie sich aus, da ist sie trittsicher. Über das Markusevangelium, aus dem sie bei einer Bibelarbeit beim Kirchentag in Hannover eine Stelle auslegt, weiß sie, dass es „das kürzeste unter den Evangelien“ ist. „Damit geht es da auch Schlag auf Schlag“, sagt sie. Und sie findet, dass der Kirchentag für den Donnerstag eine Stelle ausgesucht hat, die „eigentlich spektakulär“ ist. „Jesus lernt hier was von der Frau“, die ja sonst in dieser Zeit „dramatisch diskriminiert“ worden seien.

In der Messehalle, in der Merkel auf der Bühne steht, sind die typischen Papphocker bis auf den letzten besetzt, die meisten schon eine halbe Stunde vor der Bibelarbeit der früheren Regierungschefin. Merkel ist eine der größten Promis, die beim Kirchentag in Hannover erwartet werden. Die CDU-Politikerin, die von 2005 bis 2021 Kanzlerin war, gehörte auch in der Vergangenheit zu den regelmäßigen Gästen und Podiumsteilnehmern. Diesmal stellt sie sich dem speziellen Format Bibelarbeit. Das bedeutet, rund eine halbe Stunde einen zuvor festgelegten Bibeltext auszulegen.

“Wir schaffen das”: Was Merkel heute dazu sagt

Auf Grundlage der Geschichte von Jesus, der von einer Griechin gebeten wird, den Dämon aus ihrer Tochter auszutreiben, spricht Merkel über Vertrauen und Beherztheit in der Politik. Gottvertrauen habe ihr oft geholfen, wenn Situationen ausweglos erschienen seien, sagt sie.

Die Messehalle ist voll besetzt, als Angela Merkel zur Bibelarbeit bittet
Die Messehalle ist voll besetzt, als Angela Merkel zur Bibelarbeit bittetepd-bild / Tim Wegner

Das gelte auch für den Satz, „der mir damals oft um die Ohren geworfen wurde“, sagt Merkel. Als 2015 viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, habe sie Vertrauen darin gehabt, „dass es viele Menschen in Deutschland gibt, die in dieser Notsituation helfen“. Deswegen habe sie gesagt „Wir schaffen das“, nicht „Ich schaffe das“, sagt Merkel. Beim Kirchentag erntet sie für den Satz weiter großen Applaus, zum Abschied sogar stehenden.

Selbstkritisch blickt Merkel dagegen auf die Klimapolitik der vergangenen Jahre zurück: „Gerecht werden wir dieser Menschheitsaufgabe bis heute nicht“, sagt sie und fordert in Anlehnung an die Kirchentagslosung „mutig, stark, beherzt“ mehr politische Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel.

Kirchentag: Merkel selbstkritisch beim Klima

Für sie sei die Frage nach wie vor offen, „ob wir Menschen willens und in der Lage sind“, im Sinne der Vorsorge entsprechend den Warnungen und Einschätzungen von Experten zu handeln. „Der Beweis dafür ist bis heute nicht erbracht“, sagt Merkel und ergänzt, dies gelte für Deutschland wie für den Rest der Welt: „Diese Feststellung lastet schwer auf uns, auch auf mir.“