Frau Müller in der 3a kann nicht alle Probleme des Bildungssystems lösen: Das betont die Bildungsforscherin Anne Sliwka. Hierzulande gebe es zu viele Schuldzuweisungen an einzelne Lehrkräfte, sagte sie am Freitag in einem Online-Gespräch der OECD Berlin. Sinnvoller wären Teamarbeit unter den Lehrkräften, gemeinsames Lernen sowie die gezielte Erhebung und Auswertung von Daten zum Lernstand.
Die Bildungssysteme in Kanada oder Singapur hätten sich in den vergangenen 20 Jahren stark modernisiert, sagte die Expertin: “Da kann man sich einiges von abschauen.” Eine Modernisierung stehe überall an und sei keine Frage der Mentalität, wie es häufig behauptet werde.
Das schlechte Abschneiden deutscher Schülerinnen und Schüler bei der jüngsten Pisa-Studie lasse sich nicht allein durch die Corona-Pandemie erklären. So würden in Kanada etwa Schulbibliotheken wiederbelebt, zugleich gebe es Handyverbote oder Fächer, in denen Smartphones verwahrt würden, statt auf Tischen oder in Ranzen zu liegen. Sliwka betonte: “Es geht nicht alles mehr in Richtung mehr Technik und mehr Geräte.”
In Schulen als “Wohlfühlorte” zu investieren, würde auch den Lehrberuf attraktiver machen, fügte die Heidelberger Professorin für Bildungswissenschaft hinzu. Selbstwirksamkeit und gute soziale Beziehungen spielten schließlich eine entscheidende Rolle für die persönliche Zufriedenheit. Auch die Zusammenarbeit in Teams könne dazu beitragen.
Die Forscherin unterstrich zudem die Rolle frühkindlicher Bildung. Je früher in diese Fähigkeiten investiert werde, desto eher erreichten Kinder einen Bildungsabschluss.
Wo Schulentwicklung hierzulande gelinge, liege dies meist am Engagement Einzelner, mahnte Sliwka. Das bringe zwar die eine oder andere Schule voran, aber nicht das System: “Es fehlen strategische Ziele, die konsequent verfolgt werden.” Statt Projekte für einige Jahre zu fördern, deren Initiatorinnen und Initiatoren nicht umeinander wüssten, müsse daher eine Infrastruktur für ein “lernendes System” aufgebaut werden.