Die Geschichte der Pest ist noch lange nicht auserzählt. Immer wieder gewinnen Forscher neue Erkenntnisse über die schlimmste Seuche der Menschheitsgeschichte.
Hunde könnten in der Jungsteinzeit Überträger des Pest-Erregers gewesen sein. Und schon vor 5.000 Jahren ist das Pestbakterium Yersinia pestis in Mittel- und Nordeuropa vorgekommen. Allerdings offenbar in einer Variante, die zu eher isolierten Infektionen als zu großflächigen Krankheitsausbrüchen und Massensterben führte.
Das haben Forschende aus Kiel, Münster, Schleswig und Hamburg in einem Sonderforschungsbereich herausgefunden, der an der Universität Kiel angesiedelt ist. Für ihre Studie, die kürzlich in der internationalen Fachzeitschrift “Communications Biology” erschienen ist, haben die Wissenschaftler die Knochen von insgesamt 133 Menschen aus spätjungsteinzeitlichen Großsteingräbern bei Warburg im Kreis Höxter (NRW) genetisch untersucht. Die Gräber und Bestattungen werden zur sogenannten Wartberg-Kultur gezählt, die etwa in die Zeit vor rund 5.000 Jahren datiert.
In den Knochenproben von zwei der untersuchten Individuen hat das Team das Genom des Pesterregers nachgewiesen, wie die Uni Kiel mitteilte. Die Erreger gehörten allerdings zu unterschiedlichen Stämmen. Die zwei mit dem Pesterreger infizierten Personen lebten zu unterschiedlichen Zeiten und sind in verschiedenen Großsteingräbern beerdigt worden. “Das deutet darauf hin, dass es sich bei beiden Infektionen um unabhängige Ereignisse handelt”, betonen die Wissenschaftler. “Das und die geringe Zahl der Pestnachweise bei 133 untersuchten Individuen zeigen, dass die Großsteingräber keine Sammelbestattungen von Opfern eines massiven Pestausbruchs darstellen.”
Doch wie steckten sich die Menschen der Jungsteinzeit überhaupt an? Anders als im Mittelalter konnten die Erreger in der Jungsteinzeit nicht von Ratten und Flöhen übertragen werden, so die Forscher. Die Rodung von Wäldern veränderte in der Jungsteinzeit die Landschaften in Mittel- und Nordeuropa. Das zog eine Vielzahl neuer Nagetierarten aus östlich und südlich gelegenen Steppengebieten an. Sie könnten natürliche Reservoirs für Yersinia pestis gewesen sein.
“Wir wissen aber nicht, wie häufig Menschen mit diesen Tieren oder ihren Kadavern in Kontakt kamen”, sagt Studienautor Ben Krause-Kyora. Ein Indiz für einen möglichen Übertragungsweg lieferten vorhandene genomische Daten aus der Knochenprobe eines jungsteinzeitlichen Hundes aus Schweden. Als das Kieler Team die Daten erneut analysierte, zeigte sich, dass der Hund zum Zeitpunkt seines Todes auch mit dem Pestbakterium infiziert war.
“Das ist der erste Nachweis von Yersinia pestis bei einem jungsteinzeitlichen Hund. Da Hunde oft bei menschlichen Siedlungen der damaligen Zeit nachgewiesen sind, könnten sie eine Rolle bei einzelnen Infektionen spielen”, so Ben Krause Kyora.
Wissenschaftler der Uni Kiel erforschen schon seit Jahren die genetischen Eigenschaften des Pest-Erregers. Ihre Erkenntnis: Das Bakterium Yersinia pestis hat sich durch den Erwerb, aber auch den Verlust von Genen immer wieder verändert und zu zahlreichen verwandten Stämmen entwickelt. Dadurch veränderten sich auch Übertragungswege und die Ansteckungsgefahr für den Menschen.
Großen Schrecken verbreiteten insbesondere die spätantike justinianische Pest ab dem 6. Jahrhundert nach Christus und der “Schwarze Tod” im 14. Jahrhundert. Der Ausbruch zwischen 1347 und 1352, verursacht durch von Ratten verbreitete Flöhe, löschte in Teilen Europas Schätzungen zufolge bis zur Hälfte der Bevölkerung aus.
Gab es dann in der Folgezeit kleinere, regional begrenzte Ausbrüche auf verschiedenen Kontinenten, kam es von der Mitte des 19. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts zu einer dritten Pest-Pandemie: Vor allem Asien und schwerpunktmäßig Indien waren betroffen; doch die Seuche breitete sich in der Folge global aus. Mit rund 15 Millionen gesicherten Todesopfern zählt sie zu den tödlichsten Pandemien der Menschheitsgeschichte.
Die Forscher betonen, dass ihre Arbeit durchaus Bedeutung für künftige Pandemien haben kann. Eine rasche Veränderung von Yersinia pestis könnte auch in der Gegenwart zur weiter bestehenden Pandemie-Gefahr beitragen, warnen sie.