Millionen Tonnen für die Tonne: Lebensmittelabfälle in der EU sind nicht nur Ressourcenverschwendung, sie schaden auch der Umwelt. Die EU will dafür neue Quoten schaffen; Expertinnen gehen die aber nicht weit genug.
Die von der EU angedachten Richtlinien gegen Lebensmittelverschwendung sollten aus Sicht von Forscherinnen deutlich ambitionierter gestaltet werden. “Sowohl auf europäischer als auch nationaler Ebene wurden bereits ehrgeizigere Ziele zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung festgelegt als die nun vorgeschlagenen Quoten”, erklärte Beate Richter, Referentin für Agrarpolitik am Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft in Berlin, am Dienstag.
Hintergrund ist eine Überarbeitung der EU-Abfallrahmenrichtlinie. Darin hat die EU-Kommission eine Verringerung der Lebensmittelabfälle um 10 Prozent in der Verarbeitung und um 30 Prozent im Handel, in Haushalten und in der Gastronomie bis 2030 vorgeschlagen. Der Umweltausschuss des EU-Parlaments will diese Quoten auf 20 beziehungsweise 40 Prozent erhöhen. Laut dem EU-Statistikamt Eurostat fielen 2021 rund 131 Kilogramm Lebensmittelabfälle pro EU-Bürger an. Über die Quoten soll das EU-Parlament am Mittwoch abstimmen.
Mit ihrem Vorschlag blieben jedoch sowohl Kommission als auch Umweltausschuss hinter den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDG) bis 2030 zurück, kritisierte Richter. Diese sähen eine Halbierung der Lebensmittelabfälle vor. “Lebensmittelverschwendung ist ein großes Problem und eine enorme Ressourcen- und Energieverschwendung. Sie führt dazu, dass Nahrungsmittel schlechter für alle verfügbar sind und die Lebensmittelerzeugung viel ineffizienter wird als nötig.” Bei einer Halbierung der Abfälle könnten etwa Treibhausgasemissionen durch Lebensmittelkonsum bis 2030 um zehn Prozent gesenkt werden. Die Quoten sollten deshalb an die Nachhaltigkeitsziele angepasst sowie konsequent umgesetzt werden, forderte Richter.
Die Osnabrücker Wirtschaftswissenschaftlerin Melanie Speck mahnt zudem, bei der Reduzierung von Lebensmittelabfällen stärker die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick zu nehmen. Zudem müssten vor allem Verarbeitung, Logistik und Handel neue Wege finden, mit nicht genutzten Lebensmitteln umzugehen. “Oft werden Lebensmittel nicht weitergegeben, weil Logistikprozesse noch nicht effizient funktionieren und Ressourcen von Unternehmen binden”, erklärte die Sozioökonomin. Einzelne Länder, auch Deutschland mit dem System der Tafeln, seien schon auf einem guten Weg. Dennoch sei seitens der EU mehr Handlungsdruck nötig, betonte Speck. Dazu brauche es auch eine EU-einheitliche Definition, was unter Lebensmittelabfälle falle – diese sei bislang nicht gegeben.