Der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern hat scharf kritisiert, dass der Landkreis Vorpommern-Rügen Bußgelder für Verstöße gegen die Hausordnung in Flüchtlingsheimen im Landkreis einführen will. Dieser Kreistagsbeschluss vom Montag sei deutschlandweit einmalig und werde vom Flüchtlingsrat als „rassistisch motiviert und absolut kompetenzfrei“ bewertet, teilte der Flüchtlingsrat MV am Mittwoch in Schwerin mit. „Dieses Vorhaben muss neben dem humanistischen Notstand, der im Kreistag zu herrschen scheint, auch erhebliche verfassungs- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Fragen aufwerfen“, hieß es. Es fehle eine gesetzliche Grundlage. Bußgelder dürften nicht willkürlich für allgemeine Verhaltensweisen verhängt werden. Ein Kreistag dürfe „nicht einfach neue Ordnungswidrigkeitstatbestände erfinden“.
Zudem handele es sich um einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatz: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folge aus dem Rechtsstaatsprinzip und der Menschenwürde, dass eine Sanktion Schuld oder Vorwerfbarkeit voraussetzt. Dies gelte auch für Ordnungswidrigkeiten. „Falsches Lüften“ oder „unangemeldeter Besuch“ seien in einem aufgeklärten, demokratischen Rechtsstaat keine schuldhaften Handlungen im rechtlichen Sinne.
Die Satzung des Landkreises Vorpommern-Rügen verstoße auch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, nach der jede Sanktion in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat stehen müsse, hieß es vom Flüchtlingsrat. Die festgelegten Verstöße wie etwa Lüften oder nächtliche Besuchsregelungen seien keine schwerwiegenden Eingriffe in die öffentliche Ordnung. „Insbesondere das Recht auf private Lebensführung in einer Flüchtlingsunterkunft dürfte betroffen sein, wenn nun der Kreistag sich erdreistet Alltagsverhalten mit Bußgeldern zu sanktionieren“, hieß es.
Zudem sei die Satzung eine Ungleichbehandlung und ein Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes: Die Einführung von Bußgeldern für Hausordnungsverstöße ausschließlich in Flüchtlingsunterkünften sei eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung. Bewohner regulärer Mietwohnungen oder anderer öffentlicher Unterkünfte würden für vergleichbare Verhaltensweisen nicht mit Bußgeldern belegt. Dies müsse demnach als diskriminierende Sonderregelung gewertet werden.
Der Flüchtlingsrat rate allen, die möglicherweise von Bußgeldern nach dieser Satzung betroffen sind, Einspruch einzulegen und auf die rechtsstaatlichen Mechanismen zu vertrauen. „Diese Satzung kann nur in Unkenntnis der rechtsstaatlichen Ordnung entstanden sein. Der Flüchtlingsrat wertet den Vorgang des mehrheitlichen (!) Beschlusses einer solchen Satzung als rassistisch motiviert und absolut kompetenzfrei“, hieß es.