„Wir müssen dem Bruch vom Kirchenasyl lauter entgegentreten“, sagte Bischof Christian Stäblein auf einem Webinar mit Vertretern der Kirchenasylbewegung bundesweit. Darin sei sich die Evangelische Kirche mit der Deutschen Bischofskonferenz einig.
„Das müssen wir im Interesse der Betroffenen tun, aber auch im Interesse der Gesellschaft, denn Kirchenasyl ist ein humanitäres Ausnahmerecht, das die Gesellschaft braucht“, so Stäblein, der auch Flüchtlingsbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. „Ich möchte in keiner Gesellschaft leben, in der es kein Kirchenasyl und keine geschützten Räume gibt“ sagte Stäblein weiter. Es sei eine Illusion, „durch Abwehr ließe sich Migration steuern“.
Kirchenasyl ohne Abstimmung mit Gemeinden gebrochen
Achtmal haben deutsche Behörden in den zurückliegenden eineinhalb Jahren Kirchenasyle gebrochen. In allen diesen Fällen geschah das ohne Ankündigung und für die Kirchengemeinden und ihre Gäste völlig überraschend. Es geschah in Hamburg, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern. In Berlin ist ein Bruch eines Kirchenasyls nicht bekannt, in Brandenburg brach die Polizei einzig 2004 ein Kirchenasyl in Schwante. Die vietnamesische Familie wurde aber nicht angetroffen und erhielt später ein humanitäres Bleiberecht.
Nur zwei der jüngeren acht Fälle wurden in den Medien bekannt: Im vergangenen Dezember holten Polizisten in voller Kampfkleidung eine sechsköpfige afghanische Familie aus einer Gemeindewohnung in Schwerin. Diesen Herbst schoben Polizisten einen Afghanen aus einer Hamburger Kirchenwohnung nach Schweden ab. Dort war sein Asylantrag, anders als der seiner Familienangehörigen, zuvor abgelehnt worden. Der Mann ist inzwischen nach Deutschland zurückgekehrt und soll erneut abgeschoben werden.
Mehr als 2000 Kirchenasyle in Deutschland
Mehr als 2000 Kirchenasyle gibt es derzeit bundesweit in katholischen, evangelischen und Freikirchen. Was unterschied die acht Fälle von den anderen? Wenig, findet Dietlind Jochims von Asyl in der Kirche. „Die Gemeinden haben nichts falsch gemacht.“ Die Abschiebungen aus dem Kirchenasyl heraus seien eher der politischen Stimmung geschuldet, die zu wenige Abschiebungen beklagt und zu viele Kirchenasyle.
Eins hätten diese acht Fälle dann allerdings doch gemeinsam: Das Härtefalldossier, das Asyl in der Kirche geschrieben hatte, um gegenüber den Behörden einen Verbleib der Flüchtlinge in Deutschland zu begründen, sei vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt worden. Das aber, so Jochims, sei nichts besonderes, das geschehe in zahlreichen anderen Fällen auch. Und hier sei es wiederum die politische Stimmung, die in diesen Einzelfällen die Ausländerbehörden zur Abschiebung motiviert hätte.
Kirchenasyl nach Prüfung meist erfolgreich
Kirchenasyl gewähren christliche Gemeinden an Flüchtlinge, die kein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben, bei denen eine Abschiebung aber eine unzumutbare Härte darstellen würde. Die Flüchtlinge sind dann Gäste auf Zeit einer Kirchengemeinde, sie erhalten keine staatlichen Leistungen mehr, die Kirche muss für sie aufkommen. Das Kirchenasyl gibt den Geflüchteten Zeit, dass die Behörden den Fall noch einmal prüfen. Fast alle Kirchenasyle betreffen derzeit sogenannte Dublin-Fälle, also Menschen, die in den EU-Staat zurückgeschickt werden sollen, den sie bei ihrer Flucht zuerst erreicht hatten. Das kann Bulgarien sein, wo Flüchtlinge monatelang inhaftiert wurden, Polen und Litauen, von wo aus sie nach Belarus zurückgeprügelt wurden oder auch Schweden, das Asylanträge nicht nachvollziehbar ablehnt. Oft hilft das Kirchenasyl dann einfach, die Frist zu überbrücken, während der diese Staaten bereit und verpflichtet sind, die Asylbewerber zurückzunehmen. Somit sind fast alle Kirchenasyle erfolgreich.
Kirchenasyle sind nicht illegal, auch wenn ihnen durch die politischen Debatten so etwas von Halblegalität anhaftet. Christian Stäblein: „Das verunsichert viele Gemeinden und wir müssen Überzeugungsarbeit leisten, damit es weiter Kirchenasyle gibt. Aber: Auch das Eindringen der Polizei in kirchliche Räume, um die Geflüchtenen von dort aus abzuschieben, ist nicht illegal. Doch es verletzt einen jahrzehntelangen Brauch und den Respekt vor der Institution Kirche.