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Fasten-Serie: Wie die Orgel Luft zu Gefühlen macht

Nicht nur Menschen atmen, sondern auch Instrumente. Wie dadurch Klang entsteht, erzählt ein Orgelbaumeister in unserer Fastenserie.

Orgelbaumeister Joachim Kreienbrink baut am liebsten Symphonische Orgeln, die auch leise Känge erzeugen können.
Orgelbaumeister Joachim Kreienbrink baut am liebsten Symphonische Orgeln, die auch leise Känge erzeugen können.Sven Kriszio

Joachim Kreienbrink ist zwar nur eine Person, aber er kann auch allein so viele Klänge erzeugen, wie es sonst nur ein ganzes Orchester vermag. „Das geht natürlich nur mit einer Orgel“, schwärmt der Orgelbaumeister aus Georgsmarienhütte. „Mit dem Wahnsinnsklang dieses Instruments kann ich tiefe Emotionen hervorrufen. Ich kann Menschen zum Weinen bringen oder aus der Kirche vertreiben. Wenn sie vor Begeisterung austicken, dann habe ich meine Arbeit gut gemacht.“

Ohne Luft, die für jede einzelne der teilweise mehreren Tausend Pfeifen ausreichend vorhanden sein muss, könne die Orgel allerdings keinen Ton hervorbringen, erklärt Kreienbrink. Jede Pfeife brauche Luft, müsse atmen, damit sie einen Ton erzeugen könne. „Es ist so, als würde ein Mensch Luft holen“, versucht Kreienbrink die Magie des Instruments in Worte zu fassen. Doch neben dem Atem der Orgel braucht es die handwerkliche Kunstfertigkeit eines Orgelbaumeisters wie Joachim Kreienbrink, der verborgene Wege durch das Instrument erschafft, sodass die Luft an die vorgesehenen Orte strömen kann und Musik erzeugt.

Eine Orgel kann alle Instrumente imitieren

„Es gibt viele unterschiedliche Klangfarben, um verschiedenste Emotionen zu erzeugen“, erklärt Kreienbrink, der seit 47 Jahren Orgeln baut und restauriert. Dafür zuständig seien die Orgelregister. Ein Register umfasst so viele Pfeifen gleicher Bauart und damit gleicher Klangcharakteristik, wie es Tasten gibt. Oft imitieren sie einzelne Instrumente des Orchesters wie zum Beispiel Violine, Flöte, Oboe, Trompete oder Posaune. Diese Register können ein- und ausgeschaltet und so zu immer neuen Klängen kombiniert werden.

Bevor Kreienbrink allerdings eine Orgel baut, hört er sich zunächst gründlich in den Raum hinein. „Ich muss herausfinden, welche Frequenzen gut klingen. Schließlich soll mein Instrument die Menschen berühren.“ So entstehe nach und nach das gesamte Instrument in seinem Kopf, bevor es überhaupt gebaut werde. „Man muss einen Sinn für Klangfarben haben, sich die Orgel vorstellen können, wie man sie registriert und was man dafür braucht“, erzählt der 68-Jährige aus seinem reichen Erfahrungsschatz.

Erst dann macht sich Joachim Kreien­brink, der schon im Ruhestand sein könnte, in seiner Manufaktur in Georgsmarienhütte bei Osnabrück ans Werk. Mittlerweile engagiert er Mitarbeiter nur noch für einzelne Projekte. „Das nimmt mir den finanziellen Druck“, sagt er.

Kreienbrinks Orgeln sind stilistisch vielfältig

In den 80er-Jahren waren in seiner Werkstatt noch mehr als 30 Orgelbauer, Metallpfeifenmacher sowie Intonateure beschäftigt. Doch trotzdem hat er vor Kurzem noch die größte mechanische Orgel in Brasilien fertiggestellt, eine weitere soll im Juli 2026 vollendet werden. „Die kommt mit ihren 3300 Pfeifen von Kreienbrink. Das muss mir erst mal jemand nachmachen“, sagt der Orgelbaumeister stolz.

Das Handwerk des Orgelbauens auszuüben, lag für Joachim Kreienbrink nahe. Schließlich war schon sein Vater Orgelbauer, von ihm übernahm er die Werkstatt. Als Sechsjähriger begann er, Klavier zu spielen, mit 15 Jahren kam die Orgel dazu. Doch auch die Arbeit mit Holz und Metall reizte den Jugendlichen. „Als Kind baute ich Modellflugzeuge und verkaufte sie wieder vor Weihnachten, um mein Taschengeld aufzubessern.“

Kreienbrinks Klangideal ist heute eher symphonisch. „Ich mag die romantischen Register, Flöten und Streicherklänge“, beschreibt Krei­enbrink die vielen Klangfarben. „Denn diese Orgeln haben ein Schwellwerk mit stehenden Lamellen, womit man den Klang abschatten und schöne leise Klänge entstehen lassen kann“, schwärmt er. „Laut kann schließlich jeder Orgelbauer.“