Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat Angriffe auf Polizisten bei pro-palästinensischen Kundgebungen in der vergangenen Nacht in Berlin-Neukölln verurteilt. “Wir haben ein Versammlungsrecht in Deutschland und das ist auch in Ordnung, wenn auf Straßen demonstriert wird”, sagte Faeser am Donnerstag in Brüssel. Nicht in Ordnung sei aber die Gewaltausübung, erst Recht nicht gegen Einsatzkräfte der Polizei. Sie betonte, dass für die Bundesregierung der Schutz jüdischer Einrichtungen und aller Jüdinnen und Juden im Fokus stehe. Faeser äußerte sich am Rande des Europäischen Rates für Justiz und Inneres in Brüssel.
Trotz eines Verbots von pro-palästinensischen Demonstrationen kam es in Berlin-Neukölln am Mittwochabend erneut zu Menschenansammlungen und stundenlangen Auseinandersetzungen. Nach Angaben der Polizei wurden Steine und Flaschen auf Polizistinnen und Polizisten geworfen sowie Pyrotechnik abgebrannt. Einsatzkräfte seien verletzt worden.
Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) forderte indessen weitere Maßnahmen gegen Antisemitimus. Dieser sei im Bezirk “seit Jahren stark in den Köpfen verankert”, sagte Hikel in einem Interview der “Jüdischen Allgemeinen”. Dagegen eine vernünftige Demokratiearbeit zu leisten, sei eine stetige Aufgabe. Zudem sprach er sich für die Berufung eines Bezirksbeauftragten aus, der sich außer mit Queerfeindlichkeit auch mit Antisemitismus befasst. Im Bezirkshaushalt seien dafür bereits Voraussetzungen geschaffen worden. “Ein Beauftragter wäre wichtig, denn wir sind Motor dieser Stadt. Wenn es hier nicht läuft – wie wir gerade sehen – dann läuft diese Stadt nicht”.
Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) hatte am Mittwoch mitgeteilt, dass es in der Woche nach dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel einen sprunghaften Anstieg antisemitischer Vorfälle in Deutschland gebe. So seien allein zwischen dem 7. Oktober und 15. Oktober 202 Taten dieser Art bekannt geworden, rund dreieinhalb mal so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Am Mittwoch hatte es einen Brandanschlag auf eine Berliner Synagoge gegeben.