29 Prozent der Familien in Deutschland haben laut Umfragen höchstens zehn Kinderbücher zu Hause. Dabei hat Vorlesen viele Vorteile – und ist laut einer Expertin leichter in den Alltag zu integrieren, als manche denken.
Sehr kleinen Kindern und Schulkindern wird tendenziell zu wenig vorgelesen: Das beobachtet die Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung in Mainz, Simone Ehmig. Mit ein bis zwei Jahren erschienen die Kinder oft “zu jung, um den Inhalt der Bücher zu verstehen”, sagte Ehmig der “Welt” (Mittwoch). Wenn Kinder in die Schule kämen, dächten Eltern oft, “dass die Kinder dann selbst lesen lernen, das Vorlesen also nicht mehr benötigen”.
Dabei stärke gemeinsames Lesen die Bindung zwischen Kindern und Eltern, betonte die Expertin: “Sie verbringen Zeit zusammen, die beide oft sehr genießen. Zudem lernen Kinder, denen vorgelesen wird, nachweislich schneller selbst lesen.” Gerade wenn die Kinder selbst lesen lernten, sei es wichtig, sie in diesem Übergang zu unterstützen – also weiter vorzulesen.
Wenn Kinder schlecht lesen könnten, hätten sie in der Schule in nahezu allen Fächern Schwierigkeiten, so Ehmig. “Da es überall gute Lesefähigkeiten braucht, schneiden sie zum Beispiel auch in Mathematik oder Chemie schlechter ab, obwohl ihre Stärken vielleicht genau in diesen Bereichen liegen.” Manche Menschen lernten auch später nicht richtig Lesen und Schreiben; dies betrifft in Deutschland laut Untersuchungen über sechs Millionen Menschen.
Die Wissenschaftlerin betonte, dass Buchgeschenke einen Unterschied machten. “Haben Familien zu Hause Bilderbücher und Geschichten, vergrößert sich die Chance, dass sie sie zusammen mit den Kindern anschauen und ihnen vorlesen.”
Sie riet Eltern zudem, Wartezeiten beim Arzt oder Zugfahren zum Vorlesen zu nutzen – auch auf dem Smartphone oder Tablet. “Vorlesen geht auch zwischendurch, für wenige Minuten.” Direkt vor dem Schlafen sei ein gedrucktes Buch allerdings besser geeignet. Inhaltlich seien Bücher zu Themen sinnvoll, für das das Kind sich besonders interessiere, beispielsweise Tiere oder Fußball.