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Experten warnen vor Alleingängen bei EU-Asylpolitik

In der EU-Asylpolitik entsteht leicht der Eindruck: “Nach der Reform ist vor der Reform.” Migrationsexperten raten dazu, das neue gemeinsame Asylsystem erst einmal umzusetzen – um keinen Domino-Effekt auszulösen.

 Migrationsexperten warnen vor möglichen gravierenden Folgen von nationalen Alleingängen in der europäischen Asylpolitik. Eine weitere Renationalisierung könne in einem endgültigen Zerfall des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems münden, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration, Hans Vorländer, am Donnerstag in Berlin. “Ein Vertrauensverlust in die Handlungsfähigkeit der EU in diesem wichtigen Politikfeld wäre die Folge.” Dies berge auch die Gefahr einer Renationalisierung in anderen Politikfeldern. “Der Zusammenhalt in der EU wäre gefährdet.”

Die Europäische Union stehe daher am Scheideweg, so Vorländer. Er warnte vor einem Domino-Effekt, der durch um sich greifende Alleingänge mit Grenzkontrollen und Notstandsausrufungen eintreten könne. Der Sachverständigenrat empfiehlt daher, die nach langem Ringen beschlossene Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) nun rasch und konsequent umzusetzen. Vor allem der Einstieg in eine bessere Teilung der Verantwortung innerhalb der EU adressiere ein seit langem bestehendes Defizit.

Das neue System war Mitte Mai beschlossen worden. Es sieht unter anderem einheitliche Verfahren an den EU-Außengrenzen vor. Auch ein Solidaritätsmechanismus unter den Mitgliedstaaten ist geplant. Die 27 EU-Mitgliedstaaten haben bis zu zwei Jahre Zeit zur Umsetzung.

Die Bundesregierung hatte kurz vor dem Bruch der Ampel-Koalition Anfang November noch zwei Gesetzentwürfe zur Umsetzung des neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystems in deutsches Recht auf den Weg gebracht. Deutschland wollte damit auf europäischer Ebene vorangehen, um auf eine zügige Umsetzung der Reform in allen Mitgliedstaaten hinzuwirken. Derzeit ist offen, ob der Bundestag die Gesetzentwürfe noch vor der im Februar geplanten Neuwahl beschließen wird.

Flüchtlingsorganisationen werfen der Regierung vor, bei der Umsetzung die von der EU geforderten Mindeststandards deutlich zu überschreiten und Geflüchtete damit massiv zu entrechten sowie faire Asylverfahren zu verhindern.