Christof Gramm (65), von 2015 bis zum 24. September 2020 Präsident des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), rät der Babyboomer-Generation, sich systematisch auf den Ruhestand vorzubereiten. “Der Abschied vom Berufsleben ist eine einschneidende Erfahrung. Man wird sich bewusst, dass jetzt die letzte große Lebensphase beginnt”, sagte er in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bad Honnef.
“In einer Gesellschaft, die sich stark über Erfolg, Status und Leistung definiert, brechen ja im Ruhestand nicht nur Kommunikationsnetze weg, sondern auch ein Stück Lebensinhalt und Sinn”, sagte der Verfassungsjurist. “Das Glücksversprechen, endlich frei zu sein von beruflicher Fremdbestimmung, zeigt oft schon nach ein paar Wochen Risse.” Es brauche Zeit, in die neue Rolle hineinzufinden.
Der Chef des MAD war im September 2020 von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) nach mehreren rechtsextremistischen Vorfällen in der Bundeswehr in den Ruhestand versetzt worden. Er sei anschließend nicht in ein Loch gefallen und habe auch keine Kränkung über den Bedeutungsverlust empfunden, erläuterte er. Es habe aber ein gutes Jahr gedauert, bis er gelernt habe, den vorher unglaublich strikten Zeittakt und Druck zu überwinden.
“Von einem Funktionsautomaten bis zu einem empfindenden Menschen, der seine Zeit gestalten kann, ist es ein langer Weg”, sagte der 65-Jährige. “Im politischen Berlin, in Parteien, Wirtschaft und auch den Medien habe ich so viele Menschen kennengelernt, die so massiv unter Druck stehen: In vielen Jobs ist das zwangsläufig so. Man wird zur Maschine.”
Zum gelungenen Übergang in den Ruhestand gehört aus Gramms Sicht vor allem eine innere Einstellung: “Es ist nicht wichtig, dass ich nicht mehr wichtig bin. Wer zu Hause immer noch den Staatssekretär oder den Unternehmenschef spielt, bekommt Probleme – spätestens mit seinem Partner oder seiner Partnerin.” Eine zweite Erkenntnis betrifft die innere Gelassenheit: “Ich muss kein Profi (mehr) sein, um gut zu leben. Lernbereitschaft und der Luxus, liebgewordene Weisheiten und Gewohnheiten zu hinterfragen, können enorm bereichernd sein.”
Gramm empfiehlt zudem, in der neuen Lebensphase etwas für andere zu tun. “Wer sich für andere öffnet, wird nicht einsam. Der erlebt viel Verbundenheit und Resonanz. Das kann durch Reisen, Gesprächskreise, Mitarbeit in Vereinen und Kirchen passieren.” Der Jurist sagte: “After Work werden wir die Welt vermutlich nicht mehr so stark prägen wie in den aktiven Berufsjahren. Es geht um eine stärker hinhörende und betrachtende Lebensweise.”