Nach Jahren in Spitzenpositionen – zuletzt als Kulturstaatsministerin – tritt Claudia Roth nun in die zweite Reihe zurück. Die Grünen-Politikerin bleibt “einfache” Abgeordnete. Am Donnerstag wird sie 70 Jahre alt.
Lange hat sie sich für ihren zweiten Vornamen geschämt. Wer heißt auch schon “Benedikta”? Erst nach der Wahl von Papst Benedikt XVI. “bekannte” sie sich dazu. Ihre Mutter habe sie angerufen und gesagt: “Jetzt kannst du dich nicht mehr beklagen.” Obwohl sie selbst vor Jahren aus der Kirche ausgetreten ist und sie den inzwischen verstorbenen deutschen Papst mehrmals heftig kritisiert hatte, steht sie nun im Verzeichnis der Bundestagsabgeordneten unter “Claudia Benedikta Roth”. Am Donnerstag wird die Grünen-Politikerin und ehemalige Kulturstaatsministerin mit dem ungewöhnlichen zweiten Vornamen 70 Jahre alt.
Dabei hätten ihre Eltern mit dem Namen keine fromme Intention gehabt. Roth: “Sie haben mich Claudia Benedikta nach einer Prager Opernsängerin im 18. Jahrhundert genannt, die als schwarzes Schaf der Familie galt. Das fanden sie offenbar passend für mich”, erzählte Roth vor einiger Zeit lachend in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). So kennt man sie: lachend, herzlich, kämpferisch, etwa wenn es um Verschärfungen in der Asylpolitik geht – in jedem Fall immer mit sehr viel Gefühl.
Roth wurde in Ulm geboren, wuchs in Babenhausen bei Memmingen in Bayern mit zwei jüngeren Schwestern auf. Was nach dem Abitur folgte, wird bei ihren Eltern, der Vater war Zahnarzt, die Mutter Lehrerin, nicht unbedingt Begeisterungsstürme ausgelöst haben: Sie schmiss ihr Studium der Theaterwissenschaft, Geschichte und Germanistik nach zwei Semestern und arbeitete dann zunächst als Dramaturgie-Assistentin, dann als Dramaturgin in Dortmund und Unna.
Mit Mitte 20 trat sie aus der katholischen Kirche aus. Ein Grund dafür sei der im Neuen Testament überlieferte Spruch “Mulier taceat in ecclesia” (Die Frau soll in der Kirche schweigen) gewesen, sagte sie in dem KNA-Interview. Anfang der 80er Jahre war sie schließlich Managerin der Anarcho-Rockband Ton Steine Scherben, die mit dem Lied “Macht kaputt, was euch kaputt macht” in der Berliner Hausbesetzer-Szene Kult wurde. Von der Rockband mit politischen Texten kam Roth zur damals neu gegründeten Partei der Grünen. Und wurde nach deren Einzug in den Bundestag Mitte der 1980er Jahre Pressesprecherin der Fraktion.
1989 zog sie für ihre Partei in das Europäische Parlament ein. Knapp zehn Jahre später wurde sie dann in den Bundestag gewählt und wurde 2001 erstmals Bundesvorsitzende der Grünen. In den folgenden Jahren gelang ihr der Wiedereinzug ins Parlament. Sie war in verschiedenen Funktionen tätig, engagierte sich vor allem für die Bereiche Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Als Bundestagsvizepräsidentin sorgte sie im Parlament dafür, dass die Sitzungen reibungslos abliefen – und zugleich mit lockeren Sprüchen dafür, dass auch bei trockenen Themen zwischendurch mal gelacht werden konnte.
In der vergangenen Wahlperiode war Roth Kulturstaatsministerin. Ihre Bilanz fällt gemischt aus: Positiv zu Buche schlägt sicher die Einführung eines Kulturpasses für 18-Jährige. Auch brachte sie das langjährige Reformvorhaben der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu einem Abschluss. Sie engagierte sich für eine Aufarbeitung der Kolonialzeit und flog zusammen mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach Nigeria, um Benin-Bronzen zurückzubringen.
In Erinnerung bleibt aber auch der Antisemitismus-Skandal bei der vergangenen Ausgabe der Kunstschau documenta, die wegen antisemitischer Darstellungen in der Kritik stand. Viele warfen Roth vor, sich dort nicht rechtzeitig eingeschaltet zu haben. Nach israelkritischen Äußerungen während der Abschlussgala der Berlinale kam es zu Rücktrittsforderungen. Dass Menschen auch ihr persönlich Antisemitismus unterstellten, habe sie sehr getroffen. Das verfolge sie bis heute, sagte die Politikerin kürzlich.