2.225 Betroffene, 1.259 Beschuldigte: Die vor einem Jahr veröffentlichte Missbrauchsstudie hat Steine ins Rollen gebracht, meint die evangelische Bischöfin Fehrs. Doch Betroffenen reicht das Reform-Tempo nicht aus.
Ein Jahr nach Veröffentlichung einer bundesweiten Missbrauchsstudie sieht sich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) bei der Aufarbeitung auf einem guten Weg. “Die Erkenntnisse, die uns die Studie vor einem Jahr geliefert hat, bewegen uns bis heute”, erklärte EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs am Montag in Hannover. Das meine sie sowohl im emotionalen als auch im realen Sinn. “Wir arbeiten ja schon seit Jahren an notwendigen Richtlinien und Standards für Aufarbeitung und Prävention, nun aber tun wir es auf anderer wissenschaftlicher Grundlage”, so die Hamburger Bischöfin. Die Schlussfolgerungen aus der Studie hätten Steine ins Rollen gebracht.
Die Studie für den Bereich der EKD und der Diakonie war am 25. Januar 2024 von unabhängigen Forschern in Hannover vorgestellt worden. Sie hatte in kirchlichen Akten Hinweise auf 2.225 Betroffene und 1.259 Beschuldigte seit 1946 ausgemacht. Zudem stellte sie Kirche und Diakonie im Umgang mit Missbrauchsfällen ein schlechtes Zeugnis aus.
Als Reaktion beschloss im November das Parlament der EKD, die Synode, mehrere Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt. So sollen etwa eine zentrale Ombudsstelle für Betroffene geschaffen und Personalakten künftig nach übereinstimmenden Standards geführt werden. Ein Verfahren für bundesweit einheitliche Anerkennungszahlungen für Betroffene wurde vorgestellt. Es soll im Frühjahr verabschiedet werden.
Betroffenenvertreter ziehen indes eine zweigeteilte Bilanz. Die Studie sei ein notwendiger Schritt und eine gute Grundlage gewesen, um in der Aufarbeitung weiterzukommen, sagte Nancy Janz, Sprecherin der Gruppe der betroffenen Personen im EKD-Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt, laut Mitteilung der EKD. Nach der Veröffentlichung hätten sich viele neu gemeldet. “Aber es bleibt noch sehr viel zu tun.” Leider habe sie nicht überall in der Kirche den Ruck verspürt, den die Studie hätte auslösen sollen.