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EU-Finanzen: Schwachstellen beim Schutz der Rechtstaatlichkeit

Wenn EU-Staaten bei der Rechtsstaatlichkeit schludern, will Brüssel ihnen zum Schutz der gemeinsamen Finanzen den Geldhahn zudrehen können. Der EU-Rechnungshof mahnt: Es gibt Lücken und Nebenwirkungen.

Der EU-Haushalt ist vor Verstößen gegen Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit nicht vollständig gesichert. Das geht aus einem am Donnerstag veröffentlichten Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs in Luxemburg hervor. Zwar kann die EU Zahlungen vorenthalten, wenn Mitgliedstaaten grundlegende Werte missachten. Dies betrifft unter anderem Mittel aus dem 750 Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbaufonds. Die einschlägigen Instrumente haben dem Bericht nach aber Schwachstellen und Nebenwirkungen.

Die Prüfer riefen die EU-Kommission auf, Rechtsstaatlichkeitsprobleme klarer und transparenter zu bewerten, ausreichend Personal und Mittel zur Sicherung der EU-Gelder bereitzustellen und vor allem potenzielle Lücken ihres Schutzsystems anzugehen.

Im Fokus stehen derzeit Ungarn und Polen, die wegen Rechtsstaatlichkeitsproblemen mit mehreren Haushaltsmaßnahmen belegt wurden. Deren Auswirkungen werden auf rund 22 Milliarden Euro für Ungarn und rund 134 Milliarden Euro für Polen geschätzt. Wie der Rechnungshof unterstreicht, geht es aber um Zahlungen in der Zukunft – so dass dieses Instrument nur bedingt als Druckmittel für die aktuellen Regierungen taugt.

Gleichzeitig könne das Einfrieren von EU-Geldern dazu führen, dass eine Regierung ihren Verpflichtungen mit Blick auf Programme und Ziele der EU nicht mehr nachkomme. Davon betroffen wären in erster Linie Bürgerinnen und Bürger. So könne es zum Beispiel passieren, dass Studierende nicht mehr am Austauschprogramm Erasmus+ teilnehmen könnten, warnen die Prüfer.

Nach Einschätzung des Rechnungshofs sollten Entscheidungen über das Nichteinfrieren oder die Freigabe von EU-Geldern zwar auf Grundlage einer fachlichen und rechtlichen Analyse getroffen werden; letztlich könnten aber politische Erwägungen eine entscheidende Rolle spielen. So sei es wahrscheinlich, dass im Rat Beschlüsse zur Aufhebung von Haushaltsmaßnahmen gegen ein Mitglied gleichzeitig mit anderen wichtigen Beschlüssen erörtert würden, die eine einstimmige Entscheidung verlangten.

Dies war im Dezember 2023 der Fall, als die Finanzsperre gegen Ungarn zusammen mit Beitrittsgesprächen mit der Ukraine auf der Tagesordnung stand.

Um die Einhaltung von EU-Grundwerten sicherzustellen, gibt es Bestimmungen sowohl in der sogenannten Aufbau- und Resilienzfazilität, die nach der Corona-Krise geschaffen wurde, als auch in einer Dachverordnung für mehrere EU-Fonds. Zudem gilt seit 2021 die sogenannte Konditionalitätsverordnung. Sie ermöglicht, EU-Gelder zurückzuhalten, wenn Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit die finanziellen Interessen der EU gefährden.