Nach einem Gesetzentwurf soll eine Abtreibung in den ersten zwölf Wochen außerhalb des Strafgesetzbuchs geregelt werden. Kritiker sehen den Lebensschutz in Gefahr und fordern eine breite gesellschaftliche Debatte.
In einer teilweise emotionalen Debatte haben Abgeordnete am Donnerstag über eine Reform der Abtreibung beraten. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge sprach von einem “guten Tag” für Männer und Frauen, die seit Jahrzehnten für eine Liberalisierung kämpften. Die Unionsabgeordnete Dorothee Bär (CSU) betonte, der Gesetzentwurf befördere ohne Not eine Polarisierung der Gesellschaft. Dort, wo die Verletzlichkeit besonders hoch sei – am Anfang und am Ende des Lebens – müsse der Schutz besonders gewährleistet sein. Die FDP-Abgeordnete Gyde Jensen sprach sich dafür aus, eine Debatte über eine Reform auf die neue Legislaturperiode zu verschieben.
Kern des von Abgeordneten der SPD, der Grünen und der Linken vorgelegten Entwurfs zur bisherigen Abtreibungsregelung ist, dass Schwangerschaftsabbrüche bis zur zwölften Woche grundsätzlich rechtmäßig sind. Eine Beratungspflicht soll bleiben, allerdings ohne die derzeit geltende Wartezeit von drei Tagen bis zur Abtreibung. Die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs sollen künftig zudem von der Krankenkasse übernommen werden.
Der Reformentwurf wurde erstmals beraten und im Anschluss an die Ausschüsse überwiesen. Ob es vor den Neuwahlen noch zu einer Abstimmung kommt, ist derzeit unklar. Bislang haben 238 Abgeordnete den Antrag unterzeichnet. Derzeit sitzen 733 Abgeordnete im Bundestag. Offen ist, ob einige FDP-Abgeordnete für den Entwurf stimmen, sollte es zu einer Abstimmung kommen.
In Deutschland sind derzeit Schwangerschaftsabbrüche laut Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs rechtswidrig. Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen bleiben aber straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Ebenso straffrei bleibt der Eingriff aus medizinischen Gründen sowie nach einer Vergewaltigung.
Vor der Debatte hatten sich vor allem katholische Verbände erneut zu Wort gemeldet. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) warnte vor einer übereilten Abstimmung über eine Änderung der bisherigen Abtreibungsregelung. “Im Galopp will eine interfraktionelle Gruppe offenbar ein neues Gesetz noch vor der Neuwahl des Bundestags durchbringen”, so ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp. “Die Debatte um den Paragrafen 218 muss gesellschaftlich breit geführt werden.”
Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, forderte vor einer Abstimmung eine breite gesellschaftliche Debatte. Der Entwurf betone zu Recht die grundrechtliche Stellung der Frau, bekräftigte Bätzing. Er verhalte sich aber zur grundrechtlichen Position des ungeborenen Lebens nicht ausdrücklich. Der Entwurf führe stattdessen an, dass eine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Situation notwendig sei.
Er befürchte zudem bei einer Verabschiedung des Entwurfs mögliche Auswirkungen auch auf andere Rechtsbereiche, weil in dem Entwurf mit einem abgestuften Lebensschutzkonzept argumentiert werde. “Dies wäre ein hoch problematischer verfassungsrechtlicher und ethischer Paradigmenwechsel”, so Bätzing.