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El Salvadors beliebter “Diktator” greift erneut nach der Macht

Nayib Bukele ist vor der Wahl in El Salvador beliebter als je zuvor. Doch Menschenrechtsorganisationen kritisieren seinen knallharten Kurs gegen die gefürchteten Mara-Gangs.

Eigentlich ist die Verfassung von El Salvador eindeutig: Eine direkte Wiederwahl des Präsidenten sieht sie nicht vor. Trotzdem steht am Sonntag Nayib Bukele (42) erneut zur Wahl. Und dass eine klare Mehrheit für den Mann mit palästinensischen Wurzeln stimmen wird, steht laut Umfragen außer Zweifel. Bukele erstritt seine erneute Kandidatur auf juristischem Wege – mit Hilfe eines Verfassungsgerichts, dessen Personal er am Ende selbst aussuchte. All das wird zwar von der Opposition und von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert, doch es schadet Bukele nicht.

Das liegt nicht zuletzt an einer anderen Maßnahme, die er ergriffen hat. Seit fast zwei Jahren geht Bukele mit eiserner Hand gegen die gefürchteten Mara-Banden vor. Einen dazu erlassenen Ausnahmezustand hat das von seiner Partei “Nuevas Ideas” (Neue Ideen) dominierende Parlament immer wieder verlängert. Dies ermöglicht es, mutmaßliche Gang-Mitglieder ohne reguläre Gerichtsverfahren einzusperren.

Mehr als 75.000 Menschen wurden seitdem verhaftet, ein riesiges neues Gefängnis gebaut. “El Salvador wurde vom unsichersten zum sichersten Land Lateinamerikas”, sagt Bukele. Die offizielle Statistik besagt, dass die Tötungsrate deutlich zurückgegangen ist. Was früher undenkbar war, ist heute nach offiziellen Angaben Realität: Tage ohne Tötungsdelikte in dem zentralamerikanischen Land.

Besonders großen Anklang fanden Bukeles Methoden bei Händlern und Ladenbesitzern, die in den vergangenen Jahren immer wieder Opfer von Schutzgelderpressungen wurden. Sein Kurs hat zudem Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung: 2021 wuchs die salvadorianische Wirtschaft laut Weltbank um 11,2 Prozent, im Jahr 2022 schwächte sich das Wachstum auf 2,6 Prozent ab und wird voraussichtlich für 2023 durchschnittlich 2,8 Prozent betragen. Auch durch seine medienwirksame Krypto-Affinität ist es “Bitcoin-Präsident” Bukele gelungen, El Salvador für internationale Investoren interessant zu machen.

Die andere Seite der Medaille beschreibt Mittelamerika-Expertin Ines Klissenbauer vom kirchlichen Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat: Der Erfolg bei der Bekämpfung der Banden-Gewalt sei teuer auf Kosten der Armen erkauft. Unter den bis zu 75.000 Verhafteten gebe es Tausende Unschuldige, die nun ohne rechtsstaatliches Verfahren für Monate, teils Jahre in Haft sitzen müssten. “Mehr als 200 Menschen sind in den Gefängnissen bereits gestorben. Die Haftbedingungen sind barbarisch und unmenschlich”, so Klissenbauer.

Die Kirche in El Salvador ist bei der Bewertung von Bukeles Wirken gespalten. Der Erzbischof von San Salvador, Jose Luis Escobar Alas, und Kardinal Gregorio Rosa Chavez interpretieren die Lage unterschiedlich. Erzbischof Escobar verwies darauf, dass das Verfassungsgericht einen Passus so auslegt habe, dass eine Wiederwahl erlaubt sei. Und eben diesem Gericht obliege es, die Verfassung auszulegen. Kardinal Rosa Chavez mahnt dagegen, die Demokratie sei in extrem großer Gefahr.

Bukeles Maßnahmen gegen die für ihre Brutalität berüchtigten kriminellen Mara-Banden nannte der Kardinal gar ein “Regime des Terrors”. Weil sich der Kardinal so offen gegen den populären Präsidenten positioniert, habe er Drohungen erhalten. Ihm sei vorgeworfen worden, vom selben Teller wie die Banden zu essen, berichtete der Geistliche jüngst. San Salvadors Erzbischof Escobar Alas verteidigte dagegen zuletzt das Vorgehen der Regierung: “Jede zivilisierte Gesellschaft hat die Aufgabe, Verbrechen zu bekämpfen.”

Das UN-Menschenrechtsbüro versuchte einen Bewertungs-Spagat: “Wir sind uns der komplexen Herausforderung bewusst, vor der El Salvador bei der Bekämpfung der Kriminalität steht, sowie des großen Leids, das von den Banden des Landes verursacht wird, die seit Jahrzehnten die Bevölkerung ermorden, vergewaltigen, ausrauben und erpressen”, hieß es in einer Stellungnahme.

Außenpolitisch sorgte Bukele derweil für Aufsehen, weil er den Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober in deutlicher Form kritisierte. Die Palästinenser litten unter der Hamas: “Diese Bestien repräsentieren nicht die Palästinenser”, so der salvadorianische Politiker. Er ist Sohn eines bekannten Geschäftsmanns christlich-palästinensischer Abstammung.