berlin/BONN/HANNOVER – Vertreter der Kirchen haben die Ergebnisse des EU-Gipfels zur Flüchtlingspolitik unterschiedlich bewertet. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) forderte die Einhaltung humanitärer Standards. Der katholische Weltkirche-Bischof Ludwig Schick würdigte die Einigung der EU-Regierungschefs als „gutes Zeichen für Europa“. Dagegen warnte der Migrationsbeauftragte von Papst Franziskus, Michael Czerny, davor, Auffanglager in Libyen zu errichten.
Der Rat der EKD mahnte im Blick auf die Beschlüsse des EU-Gipfels die Einhaltung solidarischer und menschenrechtsbasierter Standards an. Die Einigkeit der Staats- und Regierungschefs dürfe sich nicht auf immer restriktivere Abwehrmaßnahmen beschränken, die den Flüchtlingsschutz in der EU nachhaltig unterliefen, erklärte der Rat auf seiner Sitzung in Berlin. „Ein bloßes ‚Loswerden‘ von Menschen ist mit der jenseits von nationalen Grenzen geltenden Würde des Menschen unvereinbar“, hieß es in der in Hannover verbreiteten Mitteilung.
Besonders kritisch sieht der Rat die Absicht, sogenannte Ausschiffungsplattformen außerhalb der EU einzurichten. Bisher gibt es nach Einschätzung des EKD-Leitungsgremiums keine Grundlage zu glauben, dass solche Einrichtungen zu schaffen seien, ohne humanitäre und rechtliche Überzeugungen, die Europa geprägt haben, zu verletzen.
Es sei ein Gebot christlicher Nächstenliebe, Menschen, die aus ihren Heimatländern vor Krieg und Elend fliehen und in der EU Schutz suchen, nicht ihrem Elend zu überlassen, erklärte der Rat. Zugleich begrüßte er grundsätzlich den „erkennbaren Einigungswillen“ der in Brüssel zusammengekommenen Regierungschefs.
Mit Blick auf die innenpolitische Debatte betonte der Rat: „Die in Deutschland heftig geführte und bis hin zur Möglichkeit einer Regierungskrise dramatisierte politische Debatte über Abweisungen von bereits in anderen EU-Staaten als Asylsuchende registrierten Geflüchteten an der deutschen Grenze muss dringend versachlicht und deeskaliert werden.“
An der Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems müsse außerdem weiter gearbeitet werden. Im Zentrum der Anstrengungen müsse unter anderem stehen, europaweit möglichst hohe Verfahrens- und Aufnahmestandards zu etablieren. „Migrations- und Flüchtlingspolitik darf den Schutz von Menschen in Not nicht gegen die berechtigten Sorgen der aufnehmenden Gesellschaften ausspielen.“ Notwendig sei vielmehr der Wille zur gemeinsamen Handlungsfähigkeit – in Europa und in Deutschland.
Der Bamberger Erzbischof Schick sagte dem Kölner domradio, die Sammellager für Flüchtlinge in Europa könnten sich positiv auswirken. Gleichzeitig müsse bei den Lagern sowohl in Europa als auch in Afrika beachtet werden, dass mit den Betroffenen menschlich umgegangen werde, so der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Bischofskonferenz. Es sei ganz wichtig, dass humanitäre Organisationen und Kirchen prüfen könnten, „ob es den Menschen gut geht und mitwirken, dass es ihnen gut geht“.
Czerny forderte schnellere Prüfungsverfahren. Jahrelange Verfahren seien eine „schreckliche Folter“ für Asylsuchende. Die Verfahren müssten effizienter und kompetenter werden. Der Jesuit wandte sich gegen die geplanten geschlossenen Aufnahmelager in Libyen. Als gescheiterter Staat sei Libyen ungeeignet, „zur Lösung der europäischen Probleme beizutragen“, sagte der Untersekretär in der für Flüchtlingsfragen zuständigen Vatikanbehörde.
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie nannte es fatal, „wenn verstärkter Grenzschutz und Kooperation mit undemokratischen Drittstaaten den kleinsten gemeinsamen Nenner bilden, auf den sich die EU-Staaten verständigt haben“. Caritas-Präsident Peter Neher kritisierte, dass es unklar bliebe, „wie künftig die Frage der Verantwortungsteilung und der Solidarität geklärt werden wird, denn die Aufnahme und die Verteilung geflüchteter Menschen in der EU soll weiterhin freiwillig bleiben“. Der Deutsche Caritasverband appelliere an die EU-Staaten, die Verteilung verbindlich und in einem geregelten Verfahren zu organisieren.
Die EU-Staaten hatten sich auf weitere Schritte zur gemeinsamen Asylpolitik verständigt. Dazu zählt unter anderem die Einrichtung von Auffanglagern in Nordafrika und geschlossenen Auf-nahmezentren für Bootsflüchtlinge in der EU. In den Einrichtungen solle ihr Schutzstatus geprüft werden, hieß es. Asylberechtigte sollten anschließend in EU-Länder einreisen dürfen, wenn diese dem zustimmten. Zudem sind schärfere Richtlinien für private Rettungsschiffe und ein Ausbau des Grenzschutzes geplant. Unterdessen teilte Regierungssprecher Steffen Seibert via Twitter mit, dass Deutschland mit Griechenland und Spanien am Rande des EU-Gipfels eine politische Vereinbarung über die Rückführung von Migranten abgeschlossen habe. epd/KNA/UK
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EKD: Nur Loswerden verbietet sich
Unterschiedliche Bewertung der Ergebnisse des EU-Gipfels aus den Kirchen

Danilo Campailla