Nein, er glaube nicht an Gott, sagte Björn Ulvaeus 2012 in einem Interview der schwedischen Tageszeitung Dagens Nyheter. Man mag das für nicht so wichtig halten. Aber immerhin war Ulvaeus eines der vier Mitglieder der Band ABBA. Die schwedische Popgruppe produzierte zwischen 1974 und 1982 Top-Hits mit der Regelmäßigkeit einer Maschine. Lieder wie Waterloo, Mama Mia oder Dancing Queen verzauberten den halben Erdball.
Björn Ulvaeus war der Mann an der Gitarre und auch nach Ende von ABBA noch immer höchst populär. Kein Wunder, dass er mit seiner religionskritischen Haltung immer wieder als Kronzeuge atheistischer Lebenshaltung bemüht wurde, etwa von der Humanistischen Union.
Nun ist ABBA zwar in der Bibel die vertrauliche Anrede an Gott („Vater“). Bei der Popband aber stellte der Name lediglich die Zusammenfügung der Anfangsbuchstaben der Vornamen der Bandmitglieder dar (Agnetha, Björn, Benny, Anni-Frid). Auch sonst hatten die vier nicht viel mit Religion zu tun – sieht man davon ab, dass Agnetha vor ihrer Abba-Zeit die Maria Magdalena in der schwedischen Fassung des Musicals „Jesus Christ Superstar“ gesungen hatte.
Dennoch lohnt es, bei Björn Ulvaeus genauer hinzuschauen.
Hochinteressant ist, was er zur Bibel sagt. Ihre Geschichten seien für ihn zwar nur Mythen und Legenden; aber wertvoll und vertretbar – weil Menschen ein Bedürfnis nach solchen Ankerpunkten hätten.
Auch ABBA ist ja so ein Ankerpunkt.
Die Lieder der Band waren die Begleitmusik für zwei bis drei Generationen Jugendlicher ins Erwachsenwerden. Ob bei der Klassenfahrt, in der Tanzschule oder im Jugendkreis: ABBA-Hits liefen auf und ab. Noch heute gehören sie bei Party oder Gemeindefest dazu. 40 Jahre weigerte sich die Band standhaft, noch einmal öffentlich aufzutreten, schlug selbst ein Angebot von einer Milliarde Dollar für eine Tournee im Jahr 2000 aus. Damit züchtete sie einen Mythos: ABBA, das war die gute, alte Zeit; die kommt nie wieder. Die Musik von ABBA wurde zur Ikone der eigenen Jugend.
Vergangene Woche dann die Sensation: ABBA kommt DOCH wieder. Die Nachrichten überschlugen sich. Zwei neue Lieder gibt es bereits im Internet zu hören. Ab November ein ganzes Album. Und ab Mai folgt in London ein Konzert. Der Clou daran: Die vier Musikerinnen und Musiker treten dabei nicht selbst auf. Sondern lassen sich durch vom Computer erschaffene Abbilder auf der Bühne vertreten. Und die sehen aus wie… na, halt wie ABBA in den 70ern.
Und gleich lief die Empörungs-Maschinerie an: „Können die sich nicht so zeigen, wie sie jetzt sind?“, hieß es in Kommentaren und Leitartikeln. „Haben die ein Problem, in Würde zu altern?“ „Muss man denn immer alles machen, was technisch machbar ist?“ – und dann folgte der Verweis darauf, wozu solches Ausloten von technischen Möglichkeiten schon geführt habe: zu Genmanipulationen; sinnlosen, aber exorbitant teuren Weltraumflügen. Und zur Atombombe.
Uff. Starker Tobak. Als Kinder hätten wir dazu gesagt: Spielverderber.
Man darf davon ausgehen, dass die vier ergrauten Eminenzen KEIN Problem damit haben, sich mit Runzeln und ausgedünntem Haar zu zeigen. Immerhin tun sie das im Moment in zahlreichen Dokumentationen und Ankündigungen, mit denen sie für ihr Projekt werben. Ebenso darf man davon ausgehen, dass Freude am Ausprobieren neuer Möglichkeiten nicht immer gleich schlecht sein muss. Sonst würden die Menschen heute noch mit Fußstampfen und Händeklatschen Musik machen statt mit Orgel oder Oboe. Auch das Fahrrad oder den Kernspintomographen gäbe es vermutlich nicht. Und ja, dass Mitte-70-Jährige inzwischen vielleicht wirklich nicht mehr so viel Lust und noch weniger Kondition haben, ein anderthalbstündiges Bühnenprogramm durchzuziehen: Wer wollte ihnen das verdenken?
Leute, warum muss man denn immer alles gleich mies machen? Warum kann man sich nicht einfach mal daran erfreuen, dass auch Menschen im fortgeschrittenem Rentenalter noch kindliche Lust und Spieltrieb haben?
Bleibt die Frage: Warum nun aber kommt ABBA wirklich zurück?
Da sind wir vielleicht wieder bei Björns Vorstellung von den wertvollen Geschichten: Die Rückkehr von ABBA ist selbst eine Reise ins Reich der Mythen und Legenden (bezeichnenderweise heißt das neue Album „Voyage“, Reise). Die Band spielt mit der Wirklichkeit. Sie hat kein Problem damit, ihr Alter zu akzeptieren. Aber sie nimm sich die Freiheit, augenzwinkernd auf die eigene Jugend zurückzublicken. Das ist ein wunderbarer Weg, im Alter Souveränität und Würde zu zeigen. Gerade so, davon darf man ausgehen, wird sie ein Lächeln auf die Gesichter von Abermillionen zaubern. ABBA und die Fans – sie werden in seliger Erinnerung schwelgen, wenn die Vergangenheit einen Abend lang wieder lebendig wird.
Die Menschen, so sagen wir am Ende mit Björn, dem Gitarristen, haben ein Bedürfnis nach solchen Ankerpunkten.