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Eine Frage der Identität

Die Spaltung in der orthodoxen Weltkirche löst Betroffenheit aus. Rufe nach einem gesamtorthodoxen Konzil werden laut

FRANKFURT A. M. – Der Bruch des Moskauer Patriarchats mit dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel ist in den Kirchen mit Betroffenheit aufgenommen worden. Er reagiere mit Trauer und Enttäuschung auf den Abbruch der Beziehungen zwischen den beiden Patriarchaten, erklärte Metropolit Augoustinos von Deutschland in Bonn. Die Auslandsbischöfin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bosse-Huber, bezeichnete die Krise als innerorthodoxe Angelegenheit.
„Als Evangelische Kirche in Deutschland haben wir diese Vorgänge weder zu bewerten noch uns darin einzumischen“, sagte Bosse-Huber auf Anfrage. Weil es bei diesen Prozessen immer um die Frage nach Identität gehe, vermischten sich notwendig politische und theologische Faktoren, fügte die evangelische Theologin hinzu. „Aus unserer gemeinsamen Geschichte in der Ökumenischen Bewegung wissen wir, dass es während der letzten 100 Jahre schon zahlreiche Autokephalie-Prozesse in den Kirchen unserer orthodoxen Geschwister gegeben hat.“ Mit Autokephalie wird die Eigen- und Selbstständigkeit in den orthodoxen Kirchen bezeichnet.
Von dem Bruch zwischen den Patriarchaten Moskau und Konstantinopel seien insbesondere orthodoxe Kirchengemeinden im Ausland betroffen, „also etwa auch in Deutschland“, erklärte der Vorsitzende der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland, Augoustinos. Er rief dazu auf, die kirchlichen Spaltungen gewaltfrei zu lösen. Zugleich kritisierte er die russische Seite. Augoustinos ist auch Metropolit des Ökumenischen Patriarchats in Deutschland.

Schon beim Konzil 2016 auf Kreta gab es Streit

Angesichts des Streits über die kirchliche Hoheit über die orthodoxe Kirche in der Ukraine wird zudem die Forderung nach einem neuen gesamtorthodoxen Konzil laut. Wie die Wiener Stiftung „Pro Oriente“ mitteilte, erklärte der Patriarch von Antiochien, der syrische Theologe Youhanna X., die orthodoxe Welt bedürfe angesichts der aktuellen Herausforderungen und Bedrohungen in besonderer Weise der Einheit.
Das letzte große Konzil der orthodoxen Christenheit endete im Juni 2016 auf Kreta. Allerdings nahmen daran nur zehn der insgesamt 14 orthodoxen Kirchen teil. Das Treffen war mehr als 50 Jahre lang vorbereitet worden und galt zunächst als kirchenhistorische Sensation. Bereits damals gab es Machtspiele zwischen Moskau und dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel.
Metropolit Augoustinos gab sich unterdessen vorsichtig optimistisch. Die vielen guten Erfahrungen, die man in Deutschland in den wechselseitigen Beziehungen zwischen den orthodoxen Kirchengemeinden und Diözesen gemacht habe, „lassen mich allerdings an einer wesentlichen Verschlechterung des guten Miteinanders der orthodoxen Gläubigen, Priester und auch der Bischöfe in Deutschland zweifeln“, sagte der griechisch-orthodoxe Theologe.
Der Streit zwischen den beiden größeren ukrainisch-orthodoxen Kirchen, dem Moskauer Patriarchat und dem Kiewer Patriarchat, dreht sich um die Frage, wer die legitime Kirche des Landes ist. Die Ukraine ist ein stark christlich geprägtes Land. Die rund 43 Millionen Einwohner bekennen sich mehrheitlich zum orthodoxen Glauben. Unter den drei ukrainisch-orthodoxen Kirchen ist allein die des Moskauer Patriarchats weltweit anerkannt. epd