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Eine Frage der Gerechtigkeit

Kinderarmut, Klimawandel, Teilhabe: Mit Diskussionsabenden will die Kirche in Schleswig-Holstein vor der Wahl Bürger mit Politikern ins Gespräch bringen. Das Konzept geht auf, sagen die Macher.

Kieler Bundestagskandidaten auf dem Podium: Das Demokratiekolleg fand auch im Kirchenkreis Altholstein statt
Kieler Bundestagskandidaten auf dem Podium: Das Demokratiekolleg fand auch im Kirchenkreis Altholstein stattStefanie Rasmussen-Brodersen

Breklum. Wie können wir eine gerechtere Gesellschaft mitgestalten? Diese Frage steht im Zentrum einer Reihe von Demokratiekollegs, die derzeit in Schleswig-Holstein angeboten wird: Politiker verschiedener Parteien stehen dabei auf Podiumsdiskussionen den Bürgern Rede und Antwort. Veranstalter sind das Christian-Jensen-Kolleg (CJK), die Evangelische Akademie der Nordkirche und die einzelnen Kirchenkreise.

Es gehe darum, einen Raum für die Debatte zu öffnen, so Nora Steen, theologische Leiterin des CJK. „Wir wollen vor der Bundestagswahl einen Diskurs, der sich einmischt und positioniert zu gesellschaftlichen Themen. Wie gestalten wir unsere Gesellschaft, unsere Welt? Das ist vor allem durch politische Teilhabe möglich.“ Das Demokratiekolleg sei deshalb ein Angebot an Politiker und Bürger, sich eine Meinung zu bilden, mit anderen ins Gespräch zu kommen und sich auch einmal mit ungewohnten Meinungen auseinanderzusetzen, so Steen.

Bewegende Momente

Ein zentrales Thema ist die Klimagerechtigkeit. Wie lässt sich erreichen, dass ein Wandel hier auch sozial gerecht bleibt? Konkret: „Wie macht man die CO2-Bepreisung fairer, sodass sie am Ende nicht diejenigen trifft, die weniger Geld zur Verfügung haben?“, so Pastor Joachim Kretschmar von der Akademie der Nordkirche. Es gebe auch bewegende Momente während der Demokratiekollegs, schildert er: Wenn etwa eine alleinerziehende Mutter von ihren existenziellen Nöten erzählt. Solche Ungerechtigkeiten gilt es zu beseitigen, so Kretschmar.

Eine eigene Meinung

In kleinen Gruppen bereiten Kirchenmitglieder in den einzelnen Kirchenkreisen die Demokratiekollegs vor. „Es gibt keine Positionierung, das ist wichtig“, so Kretschmar. Kirche sei „natürlich politisch; aber sie ist nicht parteipolitisch“. Man habe bewusst jeweils die Direktkandidaten eines Wahlkreises eingeladen: die Politiker und Politikerinnen, die etwas bewegen sollen für die Menschen vor Ort. In jeder Region stehen dabei bestimmte Themen besonders im Fokus – in Kiel ist etwa bezahlbarer Wohnraum drängender als in Nordfriesland.

Aus welcher Grundhaltung bietet Kirche überhaupt dieses politische Format an? „Es sind Themen, die aus unserem christlichen Grundverständnis heraus eine Relevanz haben. Wir zeigen ganz klar: Wir wollen uns da einmischen. Wir wollen hören, was Menschen dazu sagen, die dann in Berlin darüber entscheiden“, sagt Steen. Ziel sei, die Menschen zu befähigen, sich ihre eigene Meinung zu bilden und selbstverantwortlich zu handeln.

Auch AfD vertreten

Sie schildert, wie sich bei einer Veranstaltung der Reihe in der Rendsburger Christkirche auch jüngere Menschen trauten, Fragen zu stellen. Eine Frau, die in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen arbeitet, hatte sich die Fragen vorab notiert und stellte sie nun „live“ und aufgeregt. Die Resonanz sei besonders intensiv gewesen, so Steen: „Alle Politiker haben ihr geantwortet – das sind Dinge, die sind groß, weil sie den Bürgern zeigen: Meine Stimme zählt etwas.“

Gibt es auch Kritik an der Reihe? Das verneinen Steen und Kretschmar. Zur Frage, welche Parteien eingeladen werden, gebe es Diskussionen: „Das wird in den Kirchenkreisen individuell entschieden“, so Steen. In diesem Jahr sind neben Kandidaten von CDU, Grünen, SPD, FDP und vom Südschleswigschen Wählerverband auch solche der AfD vertreten. Wichtig sei, „sich auch das einmal anzuhören“, so die Pastorin: Dort würden junge Leute „einmal konkret damit konfrontiert, was Politiker ihnen ins Gesicht sagen. Das ist nachhaltig hilfreich.“

Info
Der Eintritt zu den Demokratiekollegs ist frei. Die nächste Veranstaltung findet am Montag, 30. August, 19 Uhr, im Haus der Kirche, Kirchenstraße 1, in Elmshorn sowie am 9. September, 19 Uhr, im Husumhus, Neustadt 81, in Husum. Mehr Infos gibt es hier.