Eckernförde. Wer dieser Tage durch die Frau-Clara-Straße in Eckernförde schlendert, kann sie sehen: eine alte Markierung, schulterhoch an einer Hauswand. Sie zeigt, wie hoch hier, rund 200 Meter vom Hafen entfernt, einmal das Meer stand – als die Stadt vor 150 Jahren von einer gewaltigen Sturmflut getroffen wurde.
In der Nacht vom 12. auf den 13. November des Jahres 1872 traf das Hochwasser völlig unerwartet auf die Küstenregion der westlichen Ostsee. Starke Stürme aus Südwest hatten in den Tagen zuvor das Wasser in Richtung Baltikum gedrückt; aus der Nordsee floß noch Wasser nach. Als der Wind drehte, nun als Orkan aus Osten wehte, schwappte das Wasser zurück und traf mit voller Wucht auch Eckernförde. 3,76 Meter über Normal Null war der höchste Pegelstand – genug, um weite Teile der Stadt zu überfluten.
Keine Todesopfer
Am Morgen nach der Sturmnacht wurde das Ausmaß der Zerstörung erst klar. Fast 80 Häuser waren dem Meer zum Opfer gefallen, weitere 140 Gebäude stark beschädigt. Zahlreiche Familien waren zunächst obdachlos; laut der Eckernförder Zeitung kamen hier zumindest keine Menschen in der Stadt ums Leben.
Von Freitag, 11. November, bis Montag, 14. November, wollen das Eckernförder Museum, die Kirchengemeinde St. Nicolai, die Heimatgemeinschaft, die Stadtführer und weitere Einrichtungen mit einer Veranstaltungsreihe an die Ausnahme-Flut erinnern. „Das Hochwasser hat die ganze Ostseeküste betroffen, aber Eckernförde besonders. Wir wollen das ins Bewusstsein bringen und einen Bezug zur Gegenwart herstellen“, sagt Michael Jordan, Pastor an der St.-Nicolai-Kirche im Stadtzentrum. Damals seien Fischerboote abgetrieben worden und Menschen auf See geblieben; so wünscht sich der Theologe, dass die Eckernförder Bürger und Unternehmen in der Nacht vom 12. auf den 13. November zum Gedenken eine Kerze oder elektrisches Licht in ihre Fenster stellen.
Aufklärung gefragt
Zugleich geht es Jordan darum, zu zeigen, dass heute jeder etwas dazu beitragen kann, dass auf die Katastrophe von einst möglichst nicht noch schlimmere folgen, etwa durch eine ressourcenschonende Lebensweise. „Wir wollen Aufklärung bieten, sowohl über die Historie als auch die Gegenwart“, so Jordan. Und darüber nachsinnen: „Was machen wir eigentlich, wenn so etwas wieder passiert?“
Am Beginn der Veranstaltungsreihe steht eine Lichtinstallation von Kathrin Bethge an der St.-Nicolai-Kirche. Die Künstlerin hat gemeinsam mit Schülern Stummfilme zum Thema geschaffen und projiziert diese auf der Kirchenmauer; ebenso wird ein Sintflutbild, das im Original in der Kirche hängt, präsentiert. Die Kunstaktion ist am 11. Oktober von 17 bis 22 Uhr zu sehen. Am gleichen Tag referiert der Geograf Michael Packschies um 19.30 Uhr, in der Galerie 66 zum Thema „Hochwasser in Eckernförde: Wodurch, wann, wo?“ Anschließend will Matthias Hamann dort „Ideen und Denkanstöße für einen integrierten Hochwasserschutz in Eckernförde“ vorstellen.
“Hautnahe” Stadtführungen
Angeboten werden zudem am Samstag „hautnahe“ Stadtführungen für Jugendliche und Erwachsene; los geht’s am Steindamm, Treffpunkt Gildeeiche, um 17 und 19 Uhr.
Im Eckernförder Museum werden historische Flutbilder präsentiert, an einer Audiostation und bei Lesungen sind Augenzeugenberichte zu hören: Als Quelle dient der überlieferte Bericht einer 13-Jährigen, die das Hochwasser miterlebte. Auch ein Gutsbesitzer, der damals in Windeby bei Eckernförde lebte, kommt auf diese Weise zu Wort. Museumsleiterin Dorothee Bieske: „Das ganze Ausmaß des Schreckens, den die Menschen damals erlebt haben, wird hier hörbar.“