„Da müsste schon einiges passieren, damit ich montags nicht zum Chor gehe“, sagt Wolfgang Losch aus Klein Karrendorf bei Greifswald. Dass ihn Gospel einmal so begeistern könnte, das hätte der frühere Sänger einer plattdeutschen Folk-Band nicht für möglich gehalten. Aber als er diese Musik auf CD hörte, als er zum ersten Mal bei einer Probe dabei war, war er „hin und weg“, sagt der 57-Jährige. Und nicht nur diese speziell von Leiterin Nicole Chibici-Revneanu arrangierte Musik, auch die Menschen und die gelöste Atmosphäre heben den Orthopädiemechaniker „aus dem Alltagswahn“ heraus, bereichern sein Leben phänomenal.
Solche oder ähnliche Liebeserklärungen an Chor und Leiterin sind von einigen der mehr als 20 Sängerinnen und Sängern des Gospelkombinats zu hören – wenn sie nicht gerade ihre mitreißenden, oft vielschichtigen Songs singen: sie sind eben nicht nur ein Chor, sie sind ein ganzes „Kombinat“ voller großer Töne.
Das Kombinat im Namen haben sie sich auf dem Weg zum allerersten Konzert in Altenkirchen auf Rügen aufgesammelt, als sie am Rambiner Fischkombinat vorbei kamen, erzählt die Leiterin. Das war im Sommer 2005. Ein halbes Jahr zuvor hatte eine Splittergruppe des Greifswalder Unichores nach einer Gospelmesse beschlossen: „Wir gründen einen Gospelchor!“ Die Gospelkantate „Noah’s Ark“ wurde das Erstlingswerk, das Nicole schon mit ihrem Leipziger Gospelchor aufgeführt hatte. Erstes Treffen: 24. Januar 2005.
Greifswalder Gospelkombinat: Mit dem “Fischbrötchenmann” fing es an
20 Jahre Chorgeschichte sind also vergangen, und liest man in ihren Aufzeichnungen, so wundert man sich, dass es überhaupt Berufsalltage gibt, denen die Mitglieder außerdem nachgehen. Gleich 2006 der „Der Norden singt“-Contest, wo sie mit dem selbst gemachten Song vom „Fischbrötchenmann“ ins Finale kamen.

2008 die „Grace Canyon Gospel Mass“. 2009 die erste eigene Gospelnacht, die erste eigene CD, 2010 eine zweite, inzwischen sind es sechs. Im Rückblick ist alles dabei: legendäre Konzerte, aber auch Tiefpunkte – ein Konzert für nur sechs Gäste etwa. Es entstanden Gospelkantaten zu biblischen Geschichten, eine Gospelmesse, die Psalmenzyklen „psalms & prayers“ oder das Reformationsjubiläumsprogramm „psalms & chorales“. Sie sangen Stücke aus afrikanischer oder italienischer Tradition. Aus den roten T-Shirts wurden schwarze – seriöser!, sagt die Leiterin. Irgendwann starteten die legendären Chorfahrten. Sie führten nach Österreich, nach Siebenbürgen, nach Lettland und Litauen.
Und da Singen auch zum Spielen inspiriert, entstand aus dem Chor heraus 2015 die Musicalgruppe „De pommerschen Engelspierken“, die seidem so einige Musicals auf die Bühne gebracht haben, zuletzt „Otto von Bamberg“.
“Swing low” und “Kumbaya”: Lieder zum Mitsingen
Auch künstlerisch wird im Chor experimentiert: 2018 bog das Gospelkombinat auf eine Programmschiene ein, die die Chorarbeit nun prägt: „psalms & spirituals“ bringt biblische Psalmen mit klassischen Spirituals wie „Swing low“ oder „Kumbaya“ zusammen. „So kann das Publikum in den bekannten Passagen viel mitsingen“, sagt Nicole Chibici-Revneanu.
Inhaltlich werden die Ursprünge der Gospelmusik zum Thema, und damit auch Fragen kultureller Aneignung. Und sogar die Corona-Zeit schaffte der Chor international zu gestalten: sie kreierten Podcasts und einen digitalen Weihnachtsgottesdienst. Geprobt wurde digital, in fünf Bundesländern gleichzeitig und sogar in Norwegen, denn Ehemalige oder Verwandte kamen hinzu.