Artikel teilen:

Ein ABC der Orte, in denen das Papsttum seine heutige Gestalt bekam

Marktl, Moskau, Mohacs? Mantua, Mailand, Mainz? Venedig, Venaissin, Valence, Wadowice, Wien? An so vielen Orten der Welt hat das Papsttum so wichtige wie weniger wenige Impulse bekommen, dass eine Sortierung dringend nötig ist.

Ubi Papa, ibi Roma, so hieß es im Mittelalter: Wo der Papst ist, da ist Rom. Dabei gibt es ganz viele Städte auf dem Erdkreis, die das Papsttum in 2.000 Jahren Geschichte entscheidend mitgeprägt haben. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) buchstabiert sie durch:

Avignon: Sieben Jahrzehnte lag Rom an der Rhône. Unter dem Einfluss Frankreichs residierten die Päpste im südfranzösischen Avignon (1309-1376/77). Es wurde die damals größte Baustelle Europas. Auch schön vielleicht – aber so nicht vorgesehen.

Buenos Aires: Heimatstadt von Franziskus, des ersten Papstes aus Lateinamerika. Hier spielte er als kleiner Junge Fußball; hier wurde er Chemielaborant und Priester, besuchte die Armen, erlebte die Militärdiktatur.

Canossa: Die Burg der Markgräfin Mathilde von Tuszien war 1077 Schauplatz einer der berühmtesten Episoden der Papstgeschichte. Im Schnee musste dort Kaiser Heinrich IV. barfuß Gregor VII. um Vergebung bitten.

Damaskus: Der Christenverfolger Saulus erlebte hier sein Bekehrungserlebnis und wurde zum Paulus. Die Kirche erhielt so einen ihrer wirkmächtigsten Missionare.

Egisheim: Der kleine Ort im Elsass hat einen der wichtigen Reformpäpste des Mittelalters hervorgebracht: Bruno von Egisheim-Dagsburg. Er nannte sich Leo IX. (1049-1054) und war das Schwergewicht in der Phase der “deutschen Päpste”, zudem eine Art erster Reisepapst der Geschichte.

Florenz: Die Stadt am Arno war über Jahrhunderte alternatives Kunst- und Machtzentrum in Italien. In der Renaissance buhlte die Stadt mit Rom um Künstler wie Michelangelo, Raffael und Leonardo da Vinci. Die Medici brachten selbst vier Päpste hervor.

Genf: Die zweitgrößte Stadt der Schweiz gehört zu den zentralen Orten der Reformation. Hier lehrte und wirkte Johannes Calvin (1509-1564) mit solcher Zucht und Strenge, dass man ihn auch schon als “Taliban von Genf” bezeichnete.

Havanna: Ausgerechnet in der Hauptstadt der kubanischen Revolution fand 2016 die historische erste Begegnung zwischen einem römischen Papst und einem orthodoxen Moskauer Patriarchen statt: Franziskus und Kyrill I.

Istanbul: Als “Ost-Rom” bis heute orthodoxer Patriarchensitz und der Schauplatz zentraler frühchristlicher Konzilien. Eine der wichtigsten christlichen Städte überhaupt, bis sie 1204 von – christlichen – Kreuzfahrern ruiniert wurde. Schließlich, nach Jahrhunderten des Niedergangs, fiel sie 1453 an die Osmanen.

Jerusalem: die “Heilige Stadt” dreier Weltreligionen; Wirkungsstätte Jesu, ohne die es weder Kirche noch Papst gäbe.

Krakau: An der Weichsel führte Karol Wojtyla als Erzbischof seinen Kampf gegen Polens Kommunisten – den er später als Papst Johannes Paul II. (1978-2005) zum erfolgreichen Ende brachte.

Lourdes: Der Mythos des Wallfahrtsortes am Rand der Pyrenäen, wo 1858 Maria einem Hirtenmädchen erschienen sein soll, gehört heute fest zur kirchlichen Verkündigung an die Kranken. Der greise Johannes Paul II. machte hierher die letzte seiner 104 Auslandsreisen.

Medellin: 1968 wandten sich die Bischöfe Lateinamerikas in der kolumbianischen Millionenstadt von den Mächtigen ab und den Armen zu – mit dem Segen von Papst Paul VI. Später, in den 80er Jahren, gab es starke Spannungen zwischen dem Vatikan und der lateinamerikanischen Theologie der Befreiung.

Nazareth: wo alles begann! Jesus, Knabe der Maria und des örtlichen Schreiners, Josef, bereitete sich hier auf sein öffentliches Wirken vor.

Orvieto: eine der Residenzstädte der Päpste im Mittelalter. Urban IV. (1261-1264) etwa hat Rom nie betreten. Clemens VII. floh 1527 hierher vor den Plünderungen der Söldner Kaiser Karls V. im “Sacco di Roma”.

Prag: Der “Vor-Reformator” Jan Hus (um 1369/70-1415) fügte der Autorität des Papsttums Risse zu. Der Rektor der Prager Karls-Universität lehrte, dass nicht das Amt, sondern seine Geistesgaben und sein Verhalten einen Papst befähigten.

Qumran: Die zwischen 1947 und 1956 in Felsenhöhlen gefundenen antiken Schriftrollen gewähren einen hervorragenden Einblick in die Zeitumstände des frühesten Christentums. In der Frühzeit der Funde entstanden Verschwörungstheorien, der Vatikan versuche, Veröffentlichungen zu verhindern, die dem hergebrachten Jesus-Bild zuwiderliefen.

Rom: Könnte das Papsttum auch vom Homeoffice in New York, Rio, Tokio funktionieren? Von uns wird das wohl keiner mehr erleben…

Sutri: Mit der Synode im mittelitalienischen Sutri 1046 wurde das Papsttum von den Fehden römischer Adels-Cliquen befreit. Es begann die Zeit der “deutschen” Reformpäpste.

Trient: Das Konzil von Trient (1545-1563) im Etschtal war die Antwort der katholischen Kirche auf die Reformation. Seine Beschlüsse waren bis ins 20. Jahrhundert und in vielen Bereichen bis heute prägend.

Utrecht: Geburtsort Hadrians VI. (1522-1523), des letzten Nichtitalieners auf dem Papstthron für fast 500 Jahre. Mit Askese und Reformstreben biss er aber im Rom der Renaissance auf Granit.

Viterbo: In der Kleinstadt nördlich von Rom erhielt die Papstwahl einen erheblichen Schub. Mitte des 13. Jahrhunderts residierten dort mehrere Päpste hintereinander. Als sich die Kardinäle nach dem Tod von Clemens IV. partout nicht auf einen Nachfolger einigen wollten (1268-1271), wurden die teuren Kostgänger bei Wasser und Brot eingeschlossen. Am Ende wurde gar das Dach abgedeckt.

Wittenberg: das Widerstandsnest Nummer eins gegen die Papisten. Unter den ernestinischen Kurfürsten wurde die Residenzstadt in Sachsen-Anhalt ein Zentrum des Humanismus – und mit dem aufsässigen Augustinermönch Martin Luther schließlich der Mittelpunkt der Reformation.

X: steht für x andere Städte, die hier nicht zum Tragen kommen können.

Yamoussoukro: Petersdom gewollt – aber nicht gekonnt. Der ivorische Gründungspräsident Felix Houphouet-Boigny ließ in den 1980er Jahren in seiner Heimatstadt die Chef-Kirche der Christenheit nachbauen. Seit seinem Tod 1993 fristet die Basilika “Notre-Dame de la Paix” aber ein eher tristes Dasein.

Zürich: Und noch ein Schweizer Reformationszentrum. In Zürich, der Hauptstadt der Hochfinanz, regierte einst Huldrych Zwingli (1484-1531). Sein theologischer Erbe wurde Johannes Calvin {s. Genf].