Das Krisenpotenzial nimmt zu – was für die Gesellschaft gilt, betrifft auch Paare und Familien. Schon bevor eine Belastungsgrenze erreicht ist, können Betroffene einiges tun.
Mehr vorbeugende Beratung, bevor eine handfeste Beziehungs- oder Ehekrise ausbricht: Dazu rät die Ehe- und Familienberaterin Bettina Zenner. Wer das Gefühl habe, dass eine Paarberatung oder -therapie hilfreich sein könnte, könne auch ohne den Partner oder die Partnerin damit beginnen, sagte Zenner der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): In vielen Fällen komme zunächst die Person mit dem höheren Leidensdruck – und das Gegenüber werde dann doch neugierig oder wolle die eigene Sichtweise miteinbringen.
Sie sei “immer wieder erstaunt”, wie viele Paare bereit seien, um ihre Beziehung zu kämpfen, fügte die Expertin hinzu. “Das Vorurteil, dass die Menschen schnell aufgeben und sich einfach jemand anderen suchen, habe ich so noch kaum bestätigt gefunden.” Wichtig sei indes, nicht erst dann an einer Partnerschaft zu arbeiten, wenn sich Konfliktthemen schon festgesetzt hätten.
So leide die Hälfte der Paare, die sich beim “Lotsenportal” meldeten, unter eine starken Belastung. Das Online-Trainingsportal des Erzbistums Freiburg, das vor gut einem Jahr an den Start gegangen ist, belege banhand der anhaltend hohen Nutzungszahlen zugleich einen großen Bedarf an Beratung unter Paaren, sagte Zenner, die Beauftragte für Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Erzdiözese ist. Sehr erfreulich sei, dass auf diesem niederschwelligen Weg zahlreiche Paare erreicht worden seien, die sonst nicht den Weg in eine Beratungsstelle gefunden hätten.
Insgesamt sei das Portal im ersten Jahr über 39.000 Mal aufgerufen worden; ein Fragebogen zur Einschätzung der eigenen Partnerschaft wurde über 3.000 Mal ausgefüllt. Daneben bietet das Portal je nach Belastung passende Trainings und Übungen, mit denen sich Paare zum Beispiel spielerisch besser kennenlernen können.
Künftig rechnet Zenner mit steigendem Bedarf an Paarberatung. “Die Veränderungen in der Gesellschaft und die weltweiten Konflikte machen etwas mit den Menschen”, erklärte sie. So litten manche Paare angesichts der Inflation unter einer höheren finanziellen Belastung. Auch die Organisation des Alltags verlange den Menschen immer mehr ab, so dass die Paarbeziehung – oft in einem schleichenden Prozess – vernachlässigt werde, bis sie schließlich auf der Strecke bleibe.
Auch die Politik sei gefragt, fügte die Expertin hinzu. So gebe es gerade unter jungen Paaren häufig Frust, weil eine gleichmäßige Aufteilung von Care- und Hausarbeit trotz anderer Vorsätze nicht gelinge. “Die Arbeitswelt trägt das nicht mit. Oft starten die Frauen nach der Elternzeit nur noch in Teilzeit und erledigen doch das Meiste in punkto Kinderbetreuung und Hausarbeit.”
Geteilte Leitungsstellen oder eine reduzierte Stundenzahl auch für Führungspositionen könnten gegensteuern, so Zenner. Auch Unternehmen müssten umsteuern, weil die junge Generation verstärkt Wert auf eine Vereinbarkeit von Arbeits- und Familienleben lege.
Zudem hoffe das Erzbistum auf einer Weiterfinanzierung des “Lotsenportals”, das derzeit bis zum Sommer laufen soll: “Die ganze Familie profitiert davon, wenn in Paarbeziehungen investiert wird.”