Diese E-Mail verändert die Welt der Kommunikation: „Michael, This is your official welcome to CSNET. We are glad to have you aboard“ (Michael, dies ist dein offizieller Willkommensgruß bei CSNET. Wir freuen uns, dass du mit dabei bist). Mit diesen Worten begrüßte die US-Amerikanerin Laura Breeden vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston am 3. August 1984 um 10:14 Uhr Michael Rotert und seinen Chef Werner Zorn, Professor und Leiter der Informatik-Rechnerabteilung der Universität Karlsruhe.
Damit wurden Rotert und Zorn die ersten deutschen Mitglieder des US-amerikanischen Computer-Netzwerks CSNET. Zwar wurden in Deutschland bereits vor August 1984 E-Mails versendet und empfangen. Bei der Karlsruher Nachricht handelt es sich jedoch um die erste, die an einen eigenständigen, nicht-militärischen Internetanschluss auf dem europäischen Festland ging. Daher lauteten die ersten E-Mail-Adressen auch schlicht „rotert@germany“ und „zorn@germany“.
Während heute ein Smartphone im Hosentaschenformat genügt, hatte der damalige Empfangscomputer VAX 11/750 die Größe einer Waschmaschine und einen Speicher von 64 Megabyte. „Ein heutiges Smartphone hat tausendmal mehr Speicher und ein Vielfaches der Rechenleistung“, erklärt Internetpionier Rotert im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Betreffzeile „Wilkomen in CSNET!“
Abgeschickt wurde die historische Mail – übrigens mit einem kleinen Tippfehler in der Betreffzeile „Wilkomen in CSNET!“ – bereits am Tag zuvor, am 2. August um 12:35 Uhr US-amerikanischer Ostküstenzeit. Sie landete zunächst im sogenannten CSNET-Relay, in dem die Mails erst gesammelt und dann später manuell abgerufen wurden. Durch die Zeitverschiebung las Rotert seine elektronische Post erst am nächsten Tag, einem Sonntag.
Das war auch in Deutschland der Startschuss für ein neuartiges Kommunikationsmedium, das den Alltag maßgeblich verändern sollte: Es war schneller als ein Brief, und anders als beim Telefonieren musste der Adressat nicht anwesend sein. „Dass sich die E-Mail zu einem Massenkommunikationsmittel entwickeln würde, war damals nicht abzusehen“, sagt der Wirtschaftsingenieur. Im Winter 1971/72 hatte der US-Amerikaner Ray Tomlinson das Programm für das Versenden von E-Mails geschrieben. 1984 waren Deutschland und Israel nach den USA die ersten Nationen, die offiziell an das Computer-Netzwerk CSNET angeschlossen wurden.
Mitte der 1990er Jahre trat das Internet den Siegeszug an
Erst nach dem Fall der Mauer 1989 sei das Internet für die Allgemeinheit geöffnet und auch kommerziell genutzt worden, erzählt Internetpionier Rotert. Zuvor hätten die Amerikaner zu viel Angst vor Spionage gehabt. Seinen weltweiten Siegeszug trat das Internet aber erst Mitte der 1990er Jahre an, als das „World Wide Web“ von allen genutzt werden konnte. Heute werden weltweit täglich mehr als 300 Milliarden E-Mails verschickt. Allerdings birgt die sekundenschnelle Kommunikation auch Probleme. Ähnlich wie bei einer Postkarte können auch andere mitlesen.
Daher fordert Rotert, der heute Ehrenpräsident des Verbands der deutschen Internetwirtschaft ist, seit vielen Jahren eine automatische Verschlüsselung „für alles, was einen Computer verlässt“. Dies sei etwa bei Whatsapp-Nachrichten Standard. 2020 wurden täglich rund 100 Milliarden Nachrichten via WhatsApp versendet. Künftige Veränderungen sieht Rotert vor allem durch Künstliche Intelligenz (KI). Schon jetzt gebe es PCs, deren Betriebssysteme ausschließlich auf KI basierten. Mit KI und deren gesellschaftlichen Auswirkungen werde man sich „extrem befassen müssen“, sagt Rotert.
Grundsätzlich habe die Politik die Digitalisierung viele Jahre lang unterschätzt. Bei diesem Thema hätten auch Bildungseinrichtungen riesigen Nachholbedarf, etwa bei der Lehrerfortbildung. Wenn Kinder und Jugendliche im Internet gemobbt würden, könnten Lehrer und Eltern oft nicht weiterhelfen. Was die Geschichte moderner Kommunikation angeht, so wird in manchen Lehrbüchern zumindest auf den Empfänger der ersten E-Mail vor 40 Jahren hingewiesen, erzählt Rotert, der heute in Landau lebt. So habe ihm eine Enkelin vor einiger Zeit überrascht erzählt: „Opa, du stehst bei uns im Mathebuch.“