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Durst nach Leben

Zum Sonntag Exaudi über den Predigttext Johannes 7,37-39

Predigttext
37 Am letzten Tag des Festes, dem großen Tag, stellte sich Jesus hin und rief:  „Wer Durst hat, komme zu mir, und es trinke, 38 wer an mich glaubt! Wie die Schrift sagt: Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen.“ 39 Damit meinte er den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben; denn der Geist war noch nicht gegeben, weil Jesus noch nicht verherrlicht war. (Einheitsübersetzung)

Sie feierten ihr traditionelles Herbstfest nach Ende der Getreideernte und der Weinlese; festliche Prozessionen und besondere Gottesdienste am Tempel gehörten dazu, der Dank für die Gaben in diesem Jahr und die Bitte um eine reiche Ernte auch im kommenden Jahr. Ein ganz wichtiger Ritus war das Schöpfen von Wasser aus dem Teich Siloah und dessen Ausgießen am Altar.

Dieser Teich war einst angelegt worden, um die Wasserversorgung und damit das Überleben der Bevölkerung auch in kritischen, zunächst vor allem kriegerischen (Belagerungs-) Zeiten, später wohl auch in Dürrezeiten sicherzustellen.

Was für eine Hoffnung und Vorfreude!

Beim Laubhüttenfest ging es fröhlich und ausgelassen zu. Was für eine Freude war es, das Volk dieses Gottes zu sein, der sich sorgt, und der das Leben bewahrt und nährt! Was für eine hoffnungsvolle Vorfreude verspürten sie auch im Blick auf die kommende messianische Heilszeit; so hatte es der Prophet verheißen: „ … an jenem Tag werden lebendige Wasser aus Jerusalem fließen. (…) Und der HERR wird König sein über alle Lande.“ (Sacharja 14,8+9).

Im Johannesevangelium lesen wir, wie Jesus sein eigenes Wirken in dieser Welt vor dem Hintergrund des Laubhüttenfestes deutet. Er ist die Quelle; von ihm geht Lebenskraft aus. Wen dürstet, der darf und soll aus ihm schöpfen. Von ihm trinken. Sich bei ihm erfrischen und durch ihn stärken lassen. Leben.

Leben in einer Welt, die unausweichlich, dauerhaft und immer wieder – für jeden Menschen und alle Generationen – ihre eigenen Bedrückungen und Nöte bereithält, kritische Zeiten und Dürren. Offensichtlich kann es nicht anders sein. Wir alle wissen das.

Aber ebenso offensichtlich wollte Gott es dabei nicht belassen. Das bezeugt Johannes. Weil Gott die Menschen liebt, und um sie zu „retten“, schickte er Jesus zu ihnen. Als den (Ver-) Mittler und das Ebenbild seiner Liebe. Was Jesus in der Zeit seines öffentlichen Wirkens sagte und tat, war nichts anderes als Gottes Zuspruch, Angebot, Einladung, sich auf diese Liebe einzulassen, sie sich gefallen zu lassen – mit den Worten des Evangelisten: zu glauben.

Etwas überrascht nehme ich wahr, dass Johannes den Glauben in unserem Text sowohl mit einem „Dursthaben“ als auch mit dem „Trinken“ beschreibt. Wie gut tut es mir, das zu lesen. Glauben ist nicht nur volle, frohe Gewissheit; Glauben ist auch Unsicherheit, Suchen und Zweifeln. Eben, manchmal, (heftiger) Durst. Und ist doch zugleich die Sehnsucht in mir, eine besondere Ahnung auch, dass es ja eine Quelle gibt, aus der ich schöpfen darf. Längst schon und immer wieder. Einen Brunnen, der mir von Gott gegraben und gefüllt ist. Durch und mit Jesus Christus, durch und mit seinem Wort; durch und mit seinem Leben, Sterben und Auferstehen.

Entscheidend ist das Aufstehen

Das Auferstehen aber ist der entscheidende Punkt. Wir erleben oft genug, dass Brunnen trockenfallen und Quellen versiegen. Wir wissen manchmal nicht, wie es noch gehen, wie wir weitergehen können. Woher wir die nötige Kraft und Zuversicht bekommen sollen.

Sechs Wochen nach Ostern und eine Woche vor dem Pfingstfest lesen wir diese Zeilen, und wir lesen vom Heiligen „Geist, den alle empfangen sollen, die an ihn glauben“. Für mich heißt das: Durch und mit Jesus schließt Gott mein Herz für das österliche Lebenswort auf. Das wirkt kraftvoll und erfrischend, lässt mich daran festhalten: Gott hat mir zugute alles getan! Er hat in Jesus mein ganzes Leben auf sich genommen; hat meinen Dank gehört, meine Bitte, meine Klage; hat meine Not, meine Angst, meine Schuld und Hilflosigkeit ertragen. Meinen Tod. Und hat mir die Treue gehalten über all das hin!

Vielleicht kann man es so sagen: Das Geschenk des Heiligen Geistes ist so etwas wie die Ermutigung dazu, sich noch und immer wieder an diese Quelle zu begeben und „bei Jesus“ zu schöpfen von dem, was der durstigen Seele zum Leben hilft – aus der treuen Liebe Gottes. Da geht es um Trost, Hoffnung, Geduld und Zuversicht für mich selbst und andere. Aber ebenso um die eigene Bereitschaft, den Traurigen, Kleinen, Kranken, ebenfalls „Durstigen“ neben mir liebevoll und mit Achtung geduldig zur Seite zu sein. Ja, auch das! Denn die Worte „Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen“ kann ich auf Jesus und auf mich selbst beziehen.
Überraschend schön ist auch das!