Herr Röger, wie steht es zurzeit um die Dorfkirchen im Land Brandenburg?
Wir gehen weiterhin von einem großen Instandhaltungsbedarf aus. Dabei gibt es zwei weitere Hintergründe: die fallenden Mitgliederzahlen und die Klimaveränderungen, die den Dorfkirchen zusetzen. Bei schweren Wetterlagen – Stürmen, Starkregen, längerer Trockenheit – sind sie als Gebäude und von ihrer Ausstattung her besonders betroffen.
Wie viele Dorfkirchen gibt es in Brandenburg?
Wir erfassen als Landeskirche gerade jedes Kirchengebäude. Diese Mammutaufgabe wird vermutlich in diesem Jahr abgeschlossen sein. Dann kennen wir die konkrete Anzahl der Kirchengebäude. Im nächsten Schritt teilen wir sie hinsichtlich ihres Bauzustandes in 6 Kategorien ein, von – vereinfacht gesagt – „super“ bis hin zu „Gefahr in Verzug“ und dringendem Handlungsbedarf. Diese Erfassung erarbeiten wir gemeinsam mit den kreiskirchlichen Baubetreuer*innen. Parallel erfolgt die Erfassung der Ausstattung der Kirchen in der Kunstgutdatenbank durch Claudia Rückert.
Wer kümmert sich um die Instandhaltung?
Das ist eine finanzielle und organisatorische Frage: Gibt es noch Kirchengemeinden, die in der Lage sind, die umfangreiche Aufgaben einer Bauherrin zu übernehmen? Wir stellen fest, dass unter dem Aspekt der weniger werdenden Kirchenmitglieder Kirchengemeinden damit häufig überfordert sind. Dringender Instandhaltungsbedarf unterbleibt – aus finanziellen oder personellen Gründen. Wir sind als verfasste evangelische Kirche darauf angewiesen, dass uns Schäden von den Kirchengemeinden oder den Kirchenkreisen gemeldet werden. Deshalb bereiten uns gerade die Dorfkirchen Sorge, die wenig genutzt sind, denn hier fehlt der Informationsfluss.
Wie sehen die Strategien zum Erhalt der Dorfkirchen aus?
Diese einmalige Kulturlandschaft und gleichzeitig die besondere Bedeutung der einzelnen Dorfkirche für den Ort und die Bewohner, egal ob konfessionell gebunden oder nicht, ist so groß, dass immer eine emotionale Debatte entsteht. Man muss versuchen, gesamt – gesellschaftliche Lösungen zu finden, wie man diesen Schatz erhalten kann. Nicht nur für eine kirchliche, sondern auch für eine kommunale Nutzung. Die Dorfkirchen müssen belebt sein. Dann finden sich immer Kümmerer, die das Gebäude im Blick haben und melden, wenn Schäden auftreten.
Am 8. September findet die Tagung „Dorfkirchen – geliebt, aber akut bedroht II“ im Klosterstift Marienfließ statt. Was erwarten Sie sich von dieser Tagung?
Wir haben bei der ersten Tagung 2021 in Prenzlau Grundlagen in Workshops und Vorträgen abgebildet. Daraus entstand ein Thesenpapier. Dieses wurde gemeinsam mit der Denkmalpflege, dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, Architekten, Kirche, Kircheninteressierten und Fördervereinen abgestimmt. Die zweite Tagung in der Prignitz soll sich nun konkret um die ersten Schritte kümmern: die Aufgabenstellung und den Zielfindungsprozess.
Sollen Kirchen verkauft werden?
Wenn Gemeinden sagen, sie benötigen das Gebäude nicht oder können es sich hinsichtlich der Baulast nicht mehr leisten, empfehlen wir, über eine Abgabe zum Beispiel im Erbbaurecht nachzudenken. Das sichert Einnahmen, entlastet von der Instandhaltung und bei geänderten Rahmenbedingungen erhält man das Grundstück mit Gebäude nach Ablauf des Erbbaurechtes zurück. Der direkte Verkauf ist aktuell nicht vorstellbar. Beilagenkalender2023-diekirche_stand_2022_12_28.xlsx

Auch kann man zusammen darüber nachdenken, ob gemeinsame Trägerschaften etwa mit Diakonie oder kommunaler Gesellschaft möglich sind. Das Thema der Abgabe wird auf der Tagung in dem Workshop: „Vom Erbe zur Verantwortung“ bearbeitet werden. Wir haben diese Kirchen geerbt, uns über Jahrhunderte um sie gekümmert, und wir haben das gern und mit viel Liebe gemacht. Aber die Zeiten sind nun einmal so, wie sie sind. Wir müssen ehrlich mit der jetzigen Situation umgehen.
Die Ergebnisse der Tagung in Prenzlau wurden als Brandenburger Thesen für die Zukunft von Dorfkirchen veröffentlicht: www.kirchenbau.ekbo.de/fileadmin/ ekbo/mandant/kirchenbau.ekbo.de/ Dokumente/Tagung_Dorfkirchen/ 220228_Dorfkirchen_Thesenpapier