Poetisches Kaleidoskop über Menschen aus fünf Kontinenten, die sich als Chorsängerinnen und -sänger für die Musik von Johann Sebastian Bach begeistern.
Unter dem Motto “Bach – We Are Family” haben sich im Juni 2022 Menschen aus aller Welt in Leipzig getroffen, um gemeinsam zu musizieren. Zum ersten Mal durften im Rahmen des Leipziger Bachfestes auch Laienchöre in der Thomaskirche auftreten, wo Bach begraben ist. In dem schon für 2020 geplanten, aufgrund der Corona-Pandemie jedoch verschobenen Event kulminiert der Dokumentarfilm “Living Bach”, der Bachchöre aus allen Kontinenten auf dem Weg dorthin begleitet.
Gleich die erste Sequenz des Films, die Impressionen der Protagonistinnen und Protagonisten aus Paraguay, Malaysia, Japan, Australien, Südafrika, den USA und der Schweiz mit Bachs Suite Nr. 3 in D-Dur untermalt, verdichtet die Botschaft des Films von Anna Schmidt auf seinen Wesenskern: Der 1750 in Leipzig gestorbene Musiker vereint bis heute Menschen aus den unterschiedlichsten Winkeln dieser Erde im Geist seiner Musik.
Diesem Phänomen spürt die Filmemacherin am Beispiel eines Musikers nach, der in der traditionellen paraguayischen Volksmusik verwurzelt ist, aber auch anhand einer Cosplayerin aus Yamaguchi, eines buddhistischen Abtes oder einer Palliativkrankenschwester aus Bethlehem, Pennsylvania, die einer Patientin tröstend die Hand hält, als diese beim Klang der H-Moll-Messe in Tränen ausbricht. Ein herzzerreißender, zum Mitweinen trauriger, schöner Moment.
Das Wundersame der universellen Bach-Leidenschaft hebt die Regisseurin gerade dadurch hervor, dass sie all die Unterschiede zeigt, beginnend mit den kunstvoll fotografierten und versiert arrangierten Landschaftsaufnahmen und urbanen Panoramen, von den schneebedeckten Berner Alpen und der sich glitzernd auftürmenden Skyline Kuala Lumpurs bis hin zu den individuellen Lebensläufen, Situationen, kulturellen, religiösen und biografischen Hintergründen der Menschen, die an diesen Orten leben.
Dass es der Musik von Bach gelingen kann, all das zu transzendieren, stellen die für “Living Bach” befragten Sängerinnen und Sänger aus einigen der weltweit über 200 Bachchöre fasziniert fest. So fühlt sich ein “chinesischer Malaysier im 21. Jahrhundert” von der Musik Bachs ebenso im Innersten berührt wie der Traditionsmusiker aus Asunción, der Bach mit einer anderen Dimension verbindet und der von sich behauptet: “Ich muss Bach singen, weil es mich vervollständigt.”
Der einzige schwarze Teilnehmer von “Bach – We Are Family” betont, dass Bachs Musik ethnische Barrieren überwinden könne. Bach sei zwar ein weißer Deutscher gewesen, repräsentiere jedoch nicht die Verbrechen der Kolonialisten und Rassisten. Früher habe er es als schwarzer Südafrikaner nicht für möglich gehalten, dass alle Menschen unabhängig von ihrer Hautfarbe friedlich zusammenleben könnten. Erst Bachs Musik habe ihn daran glauben lassen. Noch aus dem Grab versuche Bach, die Menschen durch Musik zu vereinen.
Tatsächlich scheinen sich alle, die Anna Schmidt für ihren Film befragt, darin einig zu sein, dass Bachs Musik Hoffnung schenkt, ins Helle und zum Licht strebt. Diese Begeisterung steckt an. “Living Bach” vermittelt nicht nur die Faszination der globalen Bachfangemeinde, sondern vermag auch Menschen zu erreichen, die bislang nur wenig mit seinem Oeuvre verbanden.