Nach der Oberbürgermeister-Stichwahl im thüringischen Nordhausen haben Vertreter aus Politik, Opfer-Organisationen und Gedenkstätten die Niederlage des AfD-Kandidaten begrüßt. “Erleichterung ist angebracht, eine Entwarnung nicht”, erklärte der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Roma in Deutschland, Mehmet Daimagüler. “Unsere Demokratie und die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen stehen weiterhin unter Druck”, sagte er mit Blick auf das nahegelegene ehemalige Konzentrationslager Buchenwald. Unter den 60.000 Verschleppten im KZ Dora und dem Lagerkomplex Mittelbau seien Jüdinnen und Juden sowie auch zahlreiche Sinti und Roma gewesen, die dort Zwangsarbeit für die Rüstungsindustrie leisten mussten.
Bei der Stichwahl wurde Oberbürgermeister Kai Buchmann (parteilos) mit rund 55 Prozent der Stimmen überraschend wiedergewählt, auf Jörg Prophet (AfD), der zuvor die meisten Stimmen erhalten hatte, entfielen etwa 45 Prozent. Hätte er gewonnen, wäre es das erste Mal gewesen, dass die AfD einen Oberbürgermeister gestellt hätte.
Starke AfD ist “eine Katastrophe”
Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, erklärte: “Überlebende des Holocaust und ehemalige Häftlinge des Naziregimes sind sehr dankbar, dass eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in Nordhausen die Demokratie gestärkt und dem rechtsextremen Kandidaten und seiner Partei eine Abfuhr erteilt haben.” Dass in Nordhausen kein Verwandter der NS-Ideologie zum Oberbürgermeister gewählt wurde, sei eine “ermutigende Erleichterung”, so Heubner unter Verweis auf den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur.

Die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora erklärte, die Wiederwahl Buchmanns mache “eine Fortsetzung der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Stiftung und Stadt Nordhausen möglich”. Stiftungsdirektor Jens-Christian Wagner: “Die Nordhäuserinnen und Nordhäuser haben sich am Sonntag in ihrer Mehrheit für eine weltoffene, vielfältige Stadt entschieden, die sich ihrer historischen Verantwortung bewusst ist.” Gleichwohl zeigten “die vielen Stimmen für den offen geschichtsrevisionistisch auftretenden AfD-Kandidaten, dass die aufgeklärte Erinnerungskultur als Grundkonsens unserer Demokratie akut gefährdet ist”, mahnte Wagner.