Der Freitag vor dem ersten Advent wird immer öfter als „Black Friday“ bezeichnet, zu deutsch: schwarzer Freitag. In den USA ist das der Tag, an dem das Weihnachtsgeschäft beginnt. Die Geschäfte bieten Rabatte und Sonderangebote, öffnen bereits in den frühen Morgenstunden. „Black Friday“ heißt der Tag vermutlich, weil die Händler dadurch schwarze Zahlen schreiben oder weil sie vom Zählen der Geldscheine schwarze Finger bekommen.
Besonders in der Werbung schwappt dieser Trend nach Deutschland. Dabei ist das erste Adventswochenende ohnehin eine gute Zeit für Einzelhandel und Gastronomie. Dann werden die ersten Geschenke gekauft und es geht los mit der Advents-Deko, den Weihnachtsmärkten und Weihnachtsfeiern.
Für viele Menschen ist das eine zwiespältige Sache: Auf die Lichter, die Düfte, das Gebäck, Karten und Geschenke will kaum jemand verzichten. Gleichzeitig können diese Wochen mit dem Einkaufen, Bestellen und Besorgen schnell zum Stress werden. Zwischendurch, wenn man innehält, stellt sich die Frage: Warum mache ich da jedes Jahr wieder mit? Geht das nicht am Eigentlichen des Weihnachtsfestes vorbei?
Die Ethnologin Sigrun Preissing wirft ein positives Licht auf die Tradition des Schenkens: „Dabei geht es um die Herstellung und Aufrechterhaltung von Beziehungen. Geschenke sind in der Regel ein Ausdruck dafür, dass mir an einer Beziehung gelegen ist“, so die Autorin.
Für Christen gibt es in der Bibel vielleicht einen Hinweis darauf, was es mit dem Schenken auf sich hat. Der Apostel Paulus schreibt im Römerbrief zunächst davon, dass man seine Steuern und Abgaben immer zu bezahlen hat und dass man seinen Mitmenschen Respekt und Achtung entgegenbringen soll. „Bleibt niemandem etwas schuldig“, so die Aufforderung des Paulus.
Dann nennt er aber eine Ausnahme von dieser Regel: „Die Liebe schuldet ihr einander immer.“ Die Liebe kann man nicht abbezahlen wie Steuern oder Zölle. Da gilt nicht: Das wäre geschafft, jetzt sind wir quitt.
Vielleicht kommt daher der Stress in diesen Wochen. Menschen ahnen, dass sie anderen Zeichen der Liebe geben sollen. Wenigstens jetzt. Deshalb überlegen sie, wen sie mit einer Aufmerksamkeit bedenken wollen. Das ist nichts Falsches. Jedenfalls dann, wenn es nicht um ein Abbezahlen und um materielle Werte geht, sondern darum, dem anderen zu zeigen: Ich bin dir liebevoll zugetan, und ich will es auch bleiben.
Und wenn dann die Pflicht zur Liebe dazu führt, dass Menschen sich Gutes tun, dann kann das – bei aller Betriebsamkeit – durchaus ein Vorgeschmack auf Gottes neue Welt sein. Denn Liebe ist für Paulus kein romantisches Gefühl, sondern sie verbreitet Respekt, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit.
Vielleicht entsteht also wegen der „Schulden der Liebe“ alle Jahre wieder auch ein wenig Hektik. Aber das zeigt, dass vielleicht doch mehr Liebe zwischen den Menschen ist, als wir oftmals wahrnehmen oder behaupten.