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Diakonie-Fachtag: 40.000 Menschen in Bayern in Notwohnungen

Wohnen ist ein Menschenrecht. Damit dieses auch umgesetzt wird, sind gemeinsame Anstrengungen nötig, sagte die Präsidentin der Diakonie Bayern, Sabine Weingärtner, am Dienstag beim Diakonie-Fachtag „Mehr als ein Dach über dem Kopf“ in Nürnberg. Wohnungsnot, Wohnungs- und Obdachlosigkeit sei das große sozialpolitische Thema unserer Zeit. Besonders gefährdet seien Menschen, die ihre Arbeit verlieren, Alleinerziehende, Senioren und Geflüchtete.

Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigten, dass innerhalb eines Jahres 21 Prozent mehr Menschen in Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe untergebracht waren. Zum Stichtag 1. Januar 2024 waren es 39.130 Personen in Bayern, darunter mehr als 10.000 Kinder und Jugendliche. Diese Menschen wieder in die eigenen vier Wände zu bringen, scheitere nicht an Ideen oder Wissen, sondern daran, dass es viel zu wenig bezahlbaren Wohnraum gebe, sagte Weingärtner. Sie forderte einen besseren Zugang für wohnungslose Menschen und eine bessere Prävention.

Michaela Seybold, verantwortlich für die Belange der Wohnungs- und Obdachlosenhilfe im bayerischen Familienministerium, fasste die Ende 2023 aufgestellten Empfehlungen für das Obdach- und Wohnungslosenwesen in Bayern zusammen. Sie sollen eine Arbeitshilfe unter anderem für Sozial- und Gesundheitsbehörden sowie Wohnungsämter sein. Das oberste Ziel dieser Maßnahmen sei die Vermeidung von Obdach- und Wohnungslosigkeit. Mögliche Mittel seien das Übernehmen von Mietschulden durch das Jobcenter oder die Unterbringung in gefördertem Wohnraum. Wenn Wohnungslosigkeit nicht abgewendet werden könne, müssen die Kommunen für eine Notunterbringung sorgen.

Claudia Engelmann vom Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR) wies in ihrem Impuls darauf hin, dass die Kommunen teilweise gar keine Wohnungen vorhielten. Oft seien die Unterkünfte außerdem nicht für Menschen mit Behinderungen geeignet oder die Bewohnerinnen und Bewohner von Diebstahl und Übergriffen betroffen.

Der Staat sowie die Kommunen seien jedoch an internationale und europäische Menschenrechtsverträge gebunden, wie den UN-Sozialpakt und die UN-Behindertenrechtskonvention, betonte Engelmann. Dazu gehörten das Recht auf angemessenen Wohnraum, das Recht auf Gesundheit sowie das Recht auf Schutz vor Gewalt. „Es gibt immer wieder Gerichte, die hier einen klaren Rechtsbruch bei der Notversorgung feststellen“, sagte die Referentin. Dies helfe den Betroffenen aber kaum, da es sich um ein strukturelles Problem handle und die Gerichte nur Einzelfallentscheidungen treffen könnten. Außerdem sei der Rechtsweg für Menschen ohne Wohnung oft unerreichbar.

Das DIMR und andere Akteure der Wohnungslosenhilfe forderten daher verpflichtende Mindeststandards für die Unterkünfte. Um diese umzusetzen, brauche es eine Zusammenarbeit zwischen Ländern und Kommunen und den Freien Trägern der Wohlfahrtspflege. Von Wohnungslosigkeit betroffene Menschen müssen laut Engelmann unbedingt in diese Arbeit eingebunden werden.

Rolf Jordan, wissenschaftlicher Referent beim Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge, stellte bundesweite Daten zur Unterbringung wohnungsloser Menschen vor. Diese zeigten, dass die Verweildauer in den letzten Jahren zugenommen habe. Demnach verbringen Menschen teils mehrere Jahre in den Einrichtungen, die nur zur Notfallversorgung gedacht sind. Als Maßnahmen schlug er eine bessere Information Betroffener über ihre Rechte und Hilfemöglichkeiten vor, beispielsweise durch aufsuchende Hilfen in den Notunterkünften. (00/3964/15.10.2024)