Der niedersächsische Diakonie-Chef Hans-Joachim Lenke hat sich dafür ausgesprochen, Fachkräften in der Pflege mehr Freiheit und Eigenverantwortung bei der Versorgung alter und kranker Menschen zu geben. „Wir müssen Pflegekräften mehr zutrauen“, sagte er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Viele Dinge können sie genauso gut wie Ärztinnen oder Ärzte, zum Beispiel bei der Wundversorgung. An dieser Stelle müssen wir Vorbehalte abbauen und die Kompetenz von Pflegekräften ernst nehmen.“ Das könne den Beruf attraktiver machen und dazu beitragen, den Mangel an Fachkräften abzumildern.
Lenke zufolge kommt mit dem Eintritt vieler Pflegekräfte aus der Generation der Baby-Boomer ein großes Problem auf die Pflege zu. Allein in Niedersachsen seien mehr als 40 Prozent der Pflegekräfte über 50 Jahre alt. „Es ist also absehbar, dass wir in den nächsten 15 Jahren einen gewaltigen Aderlass haben werden.“ Doch im Bewusstsein der Politik seien die Ideen, um dieses Problem zu bewältigen, noch nicht angekommen.
Laut Lenke ist ein „bunter Mix an Maßnahmen“, erforderlich, diese Lücke zu schließen. So müssten in den Stadtteilen verstärkt Angehörige und Nachbar in vernetzte Pflegesysteme einbezogen werden. Zudem werde weiterhin Zuwanderung notwendig sein. „Das wird das Problem nicht lösen, aber das wird das Problem kleiner machen.“
Allerdings sei Deutschland nicht das einzige Land, das um Pflegekräfte aus dem Ausland werbe. „Wenn Sie sich die Migrationsdebatten der vergangenen Wochen vor Augen führen, stellt sich die Frage: Ist Deutschland ein attraktives Land für zuwandernde Pflegekräfte?“, mahnte der Diakonie-Chef. „Hier brauchen wir mehr Offenheit.“
Große Hoffnungen setzt Lenke zudem in die Digitalisierung. So könnten Apps zum Einsatz kommen, die Pflegekräften aus dem Ausland die Dokumentation in deutscher Sprache erleichtern. Fahrende Roboter könnten Zimmer auf medizinische Notfälle hin kontrollieren, und Sozialroboter könnten mithilfe Künstlicher Intelligenz zur Unterhaltung pflegebedürftiger Menschen beitragen, sofern diese einverstanden damit seien. Auch hier müsse die Gesellschaft mehr Offenheit entwickeln.