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Der Prophet und die Politik

Gottes Verheißungen für Israel und der Israel-Palästina-Konflikt

JWS - Fotolia

In den Jahren 1987/88 gab es einen ersten Aufstand der Palästinenser gegen die Besatzung von Westjordanland und Gazastreifen durch die Israelis. Schon damals schlug Israel mit einer unglaublichen Härte zurück, wozu auch das Brechen von Knochen, die Sprengung von Häusern von Verdächtigen und weitere Menschenrechtsverletzungen gehörten. In einem Artikel in einer Fachzeitschrift gab ich meiner Ratlosigkeit Ausdruck, wie denn ein solches Verhalten zu der in der Bibel Israel zugesagten Erwählung Israels durch Gott und Gottes Verheißungen an sein Volk passen würde.

Leserzuschrift, die elektrisierte

Ich bekam eine Leserzuschrift, die mich elektrisierte. Ein schon älterer Jude, der in den dreißiger und vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts in der jüdischen Befreiungsarmee mitgekämpft hatte und so geholfen hatte, dass ein Staat Israel entstehen konnte, wies mich darauf hin, dass ich den Staat Israel und die jüdische Glaubensgemeinschaft nicht verwechseln dürfte. Nicht einem Staat gelten Gottes Verheißungen, sondern einem Volk, das zum Vertrauen auf Gottes Wort und zum Glauben berufen ist.
Er wies mich hin auf ein Prophetenwort, das ich bis dahin übersehen hatte. Das Buch des Propheten Hesekiel läuft zu auf eine große Verheißung eines erneuerten Israels, eines neuen Jerusalems und einer neuen, endzeitlichen Verteilung des Landes Israels. Da heißt es: „Und ihr sollt dies Land austeilen unter die Stämme Israels … und sollt die Fremdlinge, die bei euch wohnen und Kinder unter euch zeugen, halten wie die Einheimischen unter den Israeliten; mit euch sollen sie ihren Erbbesitz erhalten unter den Stämmen Israels, und ihr sollt ihnen ihren Anteil am Land geben, … spricht Gott, der Herr“ (Hesekiel 47, 21-23).
Eine Vertreibung der Palästinenser oder eine schlechtere Behandlung als die jüdischer Bürger darf es also nach dem Wort Gottes nicht geben. Palästinenser sollen gehalten werden „wie Einheimische“ und sie sollen Erbbesitz im Lande Israel bekommen. Seit Gründung des Staates Israel verfolgt dieser allerdings eine andere Linie. Er betreibt eine sogenannte „Judaisierung“ arabischen Landes im Kerngebiet Israels und eine aggressive Siedlungstätigkeit in den besetzten Gebieten. Eine von der israelischen Regierung im Mund geführte Zwei-Staaten-Lösung eines palästinensischen Staates neben dem Staat Israel ist deswegen wahrscheinlich gar nicht mehr möglich. Ein binationaler Staat, in dem Juden und Araber gleichberechtigt sind, ist aber von Israel ebenfalls nicht gewollt. Wie kann es dann aber zu einer Lösung des Israel-Palästina-Konfliktes kommen?
Wenn noch nicht einmal theoretisch eine Lösung des Konfliktes als gewollt erscheint, wie kann es dann zu konkreten Schritten zum Frieden kommen? 2014 haben wir den circulus vitiosus im Gaza­krieg zuletzt beobachten können. Hamas hat im Gazastreifen versucht, durch den irrationalen und durch nichts zu rechtfertigenden Raketenabschuss zu demonstrieren, dass sie doch noch eine gewisse Macht haben. Israel reagierte über. Auf drei getötete zivile Israelis antwortet Israel mit der Tötung von circa 2 000 Palästinensern, davon 493 Kindern. Mit wem will Israel einmal Frieden schließen? Müsste sich Israel nicht mit den Friedenswilligen auf Seiten der Palästinenser – doch, es gibt sie! – verbünden und eine machbare Lösung vorschlagen? Das prophetische Wort ist hier realistischer als die gegenwärtige Realpolitik. Ohne eine Lösung der Palästinenserfrage wird es auch keine Zukunft für Israel geben. Allerdings werden auch die Palästinenser ohne Zukunftssicherung für Israel keine realistische Hoffnung entwickeln können. Leider sind wir von beidem weit entfernt. Doch als Christen haben wir die Macht des Gebetes und sollten die Suche nach einer Friedenslösung für den Israel-Palästina-Konflikt zu unserem steten Gebetsanliegen machen.

Dr. Hans-Jürgen Abromeit ist Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern der Evangelische-Lutherischen Kirche in Norddeutschland und Vorsitzender des Berliner Jerusalemsvereins. Der Beitrag ist der Publikation „Im Lande der Bibel“ 2/2015 entnommen.