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Der gefallene Engel ist zurück

Ein Jahr, drei Experten und rund 12.000 Euro waren nötig: Die Kirche von Lüssow hat ihren Pult-Engel wieder – kein einfaches Unterfangen.

Restauratorin Jenny Heymel mit dem barocken Pult-Engel
Restauratorin Jenny Heymel mit dem barocken Pult-EngelSebastian Kühl / PEK

Lüssow. Erbärmlich sah er aus, als er vor etwa zwei Jahren von Pastor Ulf Harder auf der Orgelempore entdeckt wurde: der Pultengel aus der kleinen Dorfkirche Lüssow bei Gützkow, eine barocke Figur von 1725. Die Zehen, die Arme, sogar der Kopf fehlten, durch die verbliebenen Teile aus Lindholz hatte sich der Holzwurm gefressen. Nicht mehr zu retten, denkt man, wenn man die Fotos der Fundstücke betrachtet.
Doch vor Kurzem wurde in Lüssow Rückkehr gefeiert: In blauem Gewand, mit rosigen Wangen und knallroten Lippen steht der Engel nun im Alttarraum und trägt ein Lesepult auf seinen Flügeln – so, wie es sich der Stralsunder Bildhauer Elias Kessler im 18. Jahrhundert gedacht hatte: Das Wort Gottes, überbracht von einem Himmelsboten.

Trio rettet Engel

Etwa ein Jahr lang hat es gedauert, aus den Bruchstücken wieder eine Figur zu machen, 12.000 Euro waren nötig und dreifaches Know-How. Das Rettungs-Team: Holzbildhauer Edvardas Racevicius aus Greifswald. Restauratorin Jenny Heymel aus Kreutzmannshagen bei Greifswald, die auf die Wiederherstellung historischer Holzmalereien spezialisiert ist. Und der Greifswald Kunsthistoriker Detlef Witt, der als Spezialist für die Werke von Elias Kessler die Restaurierung beratend betreute.
Dass zahlreiche Teile der Figur fehlten, war die größte Herausforderung. Doch historische Abbildungen hätten es möglich gemacht, das Fehlende zu rekonstruieren, erklärt Jenny Heymel. Racevicius fertigte die Teile neu an, sie selbst trug die Farben auf. Das Ergebnis stärkt die Harmonie in der Kapelle: „Der Pultengel bildet mit der Kanzel, dem Altar und dem Taufengel ein barockes Ensemble“, erklärt Jenny Heymel.
Ungewöhnlich wirken nur die Farben des Holzständers, auf dem der Engel steht. „Ursprünglich war er vermutlich weiß und goldfarben. Die rosafarbenen Bemalungen wurden im 19. Jahrhundert ergänzt“, erklärt die Expertin. Aus Gründen des Bestandschutzes habe man das erhalten, in Abstimmung mit dem Denkmalamt. Eine Stahlstange, die die Rückseite des Engels stützt, wurde auch in Absprache mit den Denkmalschützern eingefügt: damit der Pultengel auch nutzbar ist.

Kirchengebäude braucht Reparatur

Gelder für seine Rettung kamen aus Spenden der Kirchengemeinde, aus dem Denkmalfonds der Nordkirche, von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und der Sparkasse Vorpommern.
Um das barocke Ensemble in der Kirche vollständig zu machen, müssten jetzt nur noch Details an der Kanzel und am Altar ergänzt werden, sagt Jenny Heymel. Doch auch das Kirchengebäude selbst ist dringend reparaturbedürftig. „Die Dachziegel lösen sich, eindringendes Wasser hat das Gebälk geschädigt, und im Mauerwerk steigt Feuchtigkeit auf“, erklärt Pastor Ulf Harder. Für diese Mammutaufgabe brauche die Gemeinde nun sehr viel Hilfe. Immerhin: Der Kirchturm war schon nach Sturmschäden im Oktober 2016 saniert worden. „Der Pommersche Kirchenkreis hat uns dabei kräftig unterstützt“, erzählt Harder. Nun hofft er, dass die Rückkehr des Engels neue Aufmerksamkeit lenkt „auf die wunderschöne Lüssower Kirche.“