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Der Eikbom ut Stavenhagen: Festwoche für Fritz Reuter

Stavenhagen ehrt Fritz Reuter mit einer Festwoche! Am 12. Juli ist der Begründer der niederdeutschen Literatur und Sohn der Stadt 150 Jahre tot. Er war der auflagenstärkste Bestsellerautor seiner Zeit.

Eine der 1000-jährigen Eichen in Ivenack, unweit von Reuters Geburtsstadt Stavenhagen
Eine der 1000-jährigen Eichen in Ivenack, unweit von Reuters Geburtsstadt StavenhagenLandesforstamt MV

„Ik weit einen Eikbom, de steit an de See“, schrieb Fritz Reuter einst an den Anfang eines Gedichtes. Von einer Eiche mit knarzendem Holz erzählt er, dessen mächtige Krone sich von Pommern bis in die Niederlande reckt, seit 1000 Jahren. Es ist die plattdeutsche Sprache, die er in fünf Gedichtstrophen poetisch beschrieb – und damit gleichsam eine Hymne schuf.

Und nun: 150 Jahre nach dem Tode des Dichters, ist er selbst so eine Art Eiche geworden. Fritz Reuter. Vielen gilt er als Begründer unserer niederdeutschen Literatur überhaupt. Der kritische Rufer, mit Herz und Humor, mit spitzer Feder und klarem Verstand.

Stavenhagen ist Fritz Reuters Heimat

Zum 150. Todestag Fritz Reuters feierte seine Heimatstadt Stavenhagen eine Festwoche mit vielen Veranstaltungen und der Aufführung seines Werks „Kein Hüsung“. 1810 wurde Reuter in der mecklenburgischen Kleinstadt als Sohn des Bürgermeisters geboren, eines „übermächtigen Vaters“, wie der Leiter des Stavenhagener Literaturmuseums Torsten Jahn berichtet. Der eher musisch begabte Junge genügte dessen strengen Ansprüchen selten: „Fritz Reuter brauchte lange, um sich von ihm zu emanzipieren. Umso bewundernswerter ist es, dass er zum auflagenstärksten Autor seiner Zeit wurde und heute als Begründer der niederdeutschen Literatur gilt.“

Reuter studierte auf Wunsch des Vaters Jura, in Rostock und Jena. Dort schloss er sich der aus heutiger Sicht fortschrittlich-liberalen Burschenschaft Germania an. Aus damaliger waren sie Landesverräter. „Reuter war durch und durch Demokrat und zahlte einen hohen Preis dafür“, so Jahn. Als Staatsverräter wurde er mit 22 Jahren zu Tode verurteilt, wie 400 Jenaer Studenten. Das Urteil wurde zu 30 Jahren Festungshaft gemildert, von denen er acht hinter kalten Mauern verbüßen musste.

Seine Haft beschreibt er später in seinem Werk „Ut mine Festungstied“, und lässt die Lesenden an den katastrophalen Haftbedingungen der Zeit teilhaben. Besonders in Preußen, denn während er im mecklenburgischen Dömitz sogar den Kommandanten porträtieren durfte, wie er wortwitzig beschreibt, gewährte man den Gefangenen in der Hausvoigtei Berlin noch nicht einmal eine Decke.

Folgen der Haft begleiten Fritz Reuter

Neben den verlorenen Zwanzigern hatte Reuter zeitlebens körperlich mit den Folgen der Haft zu kämpfen: mit Rheuma, Depressionen und später dem Alkoholismus. „Was aber auch blieb, ist der zielsichere Blick auf die Sorgen und Nöte der kleinen Leute“, so Jahn. Nach seiner Haft wurde er ab 1842 Volontär, also „Strom“, bei einem Gutspächter und lernte seine spätere Frau kennen, Louise Kuntze, Erzieherin und Tochter eines Pastors. „Seine Rettung“, wie Christian Voss vom mecklenburgischen Arbeitskreis „Plattdüütsch in de Kirch“ einschätzt. „Ihr gelang es, den auch streitbaren und aufbrausenden Reuter zu lenken und zu ertragen.“

Fritz Reuter
Fritz Reuterwikimedia

Für eine Ehe brauchte er Stellung und Einkommen, zumal ihn seit Vater enterbt hatte. So wurde er Privatlehrer für Zeichnen und Turnen im pommerschen Treptow an der Tollense, heute Altentreptow. Und nach dem Tode des Vaters begann er auch schriftstellerisch zu arbeiten. 1851 konnte er Luise heiraten. Zwei Jahre später gelang ihm mit den Scherzdichtungen „Läuschen un Rimels“ ein erster großer Erfolg. In Neubrandenburg arbeitete er dann bereits als freier Schriftsteller – und war praktisch Bestsellerautor.

“Kein Hüsung” wird erstes Hauptwerk

1857 erschien das sozialkritische Versepos „Kein Hüsung“ um das Schicksal mittelloser Tagelöhner. „Themen wie Migration und Aussiedlung werden hier mit großer Allgemeingültigkeit behandelt“, sagt Museumsleiter Jahn über die Aktualität des Reuterschen Werkes. Einen heiteren Rückblick auf die Franzosen-Herrschaft 1806-1813 wirft Reuter in „Ut de Franzosentid“. Und in „Ut mine Stromtid“ beschreibt er das bäuerliche Leben in Mecklenburg und schafft mit „Entspekter Bräsig“ die zum Sinnbild des Mecklenburger Urtyps gewordene Figur des „Inspektor Bräsig“ – „der jedoch sehr tiefgründige Züge besitzt“, wie Christian Voss betont.

Der Ruhestandspastor liest gern aus Reuters Werken vor, baut Teile in seine Predigten bei „Kirch up Platt“ ein. Ihn begeistert an Reuter, dass ihm neben dem sozialkritischen, oft satirischen Grundton in allen seinen Werken ebenso die liebe- und humorvolle Schilderung seiner Figuren gelingt, und natürlich des mecklenburgischen Gemüts. „Er hatte Herz und Verstand.“

Der “Eickboom” ist Homage an das Plattdeutsche

Reuter verfasste seine Werke auf niederdeutsch, in zwölf Sprachen sind sie übersetzt worden. Bemerkenswert sei auch, dass die Originale dennoch auch im süddeutschen Raum gelesen wurden, in norddeutscher Mundart. „Millionen von Lesern in Berlin, München, Zürich oder Wien beschäftigten sich mit dem Plattdeutschen, um Reuter zu lesen“, so Torsten Jahn.

1863 zogen die Reuters nach Eisenach. Der inzwischen etablierte Autor ließ an der Wartburg eine großzügige Villa erbauen, heute ebenfalls Reutermuseum. Reuter, gezeichnet durch Krankheit, verstarb hier am 12. Juli 1874. „Luising, lulle mich in Schlaf“ sollen seine letzten Worte gewesen sein.

Der knorrige Eickboom brach. Der alten plattdeutschen Sprache setzte er mit seinem Gedicht aber ein ewiges Andenken. Vielleicht hatte er bei dieser Methapher an einen Eickboom gedacht, wie sie unweit von seinem Heimatort im Norden auch damals schon standen: in Ivenack. Die tausendjährigen Eichen. „So is dat all dusend Johr west“. „1000 Jahre stimmen für das Alter der Sprache aber nicht ganz“, gibt Christian Voss augenzwinkernd zu bedenken. Aber das Sinnbild stimmt. Und Freiheit – auch im dichterischen – die war ihm wichtiger als alles andere – dem großen Dichter und Demokraten Fritz Reuter.

Festwoche in Stavenhagen: Virtueller Stadtspaziergang und Ausstellung

Um Reuters Aktualität in den Fokus zu rücken, geht das Fritz-Reuter-Literaturmuseum in Stavenhagen neue, digitale Wege. Ein virtueller Stadtspaziergang wird angeboten, möglich von überall, wo es Internet gibt. „An allen Reuterstätten in MV sollen Hörstationen entstehen, so dass er der erste Dichter wird, dem man an allen Originalstätten nachspüren kann.

Derzeit zeigen Jugendliche im Museum ihre Reuter-Adaptionen in der Ausstellung „Neue Farben für alte Worte“. Die Festwoche beginnt am Freitag, 12. Juli, mit einer Ehrung vor dem Reuterdenkmal ab 16.30 Uhr. Am 12. und 13. Juli führen jeweils um 20 Uhr auf dem Marktplatz Menschen aus Stadt Reuters ‚Kein Hüsung‘ auf Hochdeutsch als Laienspiel auf.