Wolkenkratzer, Jazz und Hollywood: Der amerikanische Lebensstil der 1920er Jahre hat europäische Avantgarden beeinflusst und umgekehrt. Eine Ausstellung im Dresdner Archiv der Avantgarden der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden widmet sich den transatlantischen Beziehungen zwischen europäischen Wegbereitern und der US-amerikanischen Massenkultur. Unter dem Titel „Moderne Zeiten“ konzentriere sie sich unter anderem auf künstlerische Positionen dieser Dekade auf beiden Kontinenten, sagte Archivleiter Rudolf Fischer am Donnerstag in Dresden.
Im Fokus stehen Persönlichkeiten wie der Schauspieler Charlie Chaplin (1889-1977), die Tänzerin Josephine Baker (1906-1975) und der Künstler Man Ray (1890-1976). Hervorgehoben werden die Rolle des Jazz als der neue Sound von Amerika oder aber der Einfluss französischer kubistischer Künstler wie Fernand Léger (1881-1955) und Marcel Duchamp (1887-1968).
Zu sehen sind laut Fischer mehr als 150 Exponate aus der eigenen umfangreichen Sammlung, darunter Druckerzeugnisse, Fotografien und Grafiken. Den Zeitgeist der 1920er Jahre präsentieren zudem mehrere Filme. Im Mittelpunkt steht die Stadt New York. Auch kritische Stimmen zum „amerikanischen Traum“ wurden aufgenommen, etwa zum Thema kapitalistische Massenproduktion. So ist eine historische Stechuhr zu sehen.
Die 1920er Jahre bezeichnete Fischer als eine „glanzvolle Zeit des Fortschritts und der Leidenschaft“. Amerika sei für viele eine Imagination gewesen. Der Kurator der Ausstellung, Przemyslaw Strozek, sagte, selbst Menschen, die damals nicht in den USA waren, hätten eine Vorstellung von dem Land mitgebracht. Als Beispiel nannte er Franz Kafka (1883-1924), der nie selbst dort war, aber den Roman „Amerika“ verfasste.
Vorgestellt wird zudem die US-amerikanische Malerin und Kunstmäzenin, Katherine Dreier (1877-1952), die schon früh Ausstellungen organisierte. Zusammen mit Marcel Duchamp und Man Ray war sie Mitbegründerin der New Yorker Kunstvereinigung Société Anonyme Inc. zur Förderung moderner Kunst in den USA. Die Initiative gilt als eine Wegbereiterin des 1929 gegründeten Museums of Modern Art in New York.
Künstler und Künstlerinnen der Avantgarde gestalteten in den 1920er Jahren Zeitschriften, Flugblätter und Bücher, die vielfach gedruckt wurden, sodass Motive und Anliegen international Verbreitung fanden. Auch europäische Publikationen informierten zum „Land der Superlative“.
In den Kapiteln Kunst, Unterhaltung und Popkultur sowie Arbeit präsentiert die Ausstellung bis Anfang August unterschiedliche Perspektiven, aber auch gemeinsame Blickwinkel künstlerischer Positionen auf beiden Kontinenten. Aus Europa wanderten zwischen 1900 und 1929, dem Jahr der Weltwirtschaftskrise, viele Künstler der Avantgarde in die USA aus. Umgekehrt weckten die Bewegungen des Dadaismus, Futurismus und Konstruktivismus reges Interesse in der US-amerikanischen Kunstszene.
Insgesamt kamen während der 1920er Jahre rund 2,5 Millionen Migrantinnen und Migranten aus Europa in die USA. Nach dem Ersten Weltkrieg verließen sie den europäischen Kontinent meist mit Dampfschiffen in Richtung New York.