Bernhard Felmberg ist seit dreieinhalb Jahren evangelischer Bischof für die Seelsorge in der Bundeswehr. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) blickt er auf die veränderte Sicherheitslage in Europa, die gesellschaftliche Wahrnehmung der Bundeswehr und die Bedeutung der Seelsorge für Soldatinnen und Soldaten.
epd: Herr Felmberg, wird die evangelische Seelsorge bei der Bundeswehr gut angenommen?
Bernhard Felmberg: Gerade hat eine wissenschaftliche Studie Zustimmungswerte zwischen 91 und 95 Prozent gezeigt. Es gibt also unter den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr eine große Zustimmung zur Militärseelsorge. Das bedeutet zwar nicht, dass alle Soldaten täglich mit den Militärgeistlichen in Kontakt treten. Aber sie freuen sich, dass diese Möglichkeit besteht. Lebenskundlicher Unterricht, Standortgottesdienste, die tägliche Begleitung in der Seelsorge oder bei Rüstzeiten: Die Pfarrerinnen und Pfarrer sind intensiv an ihren Standorten unterwegs. Wir sind eng in den Alltag unserer Gemeinde eingebunden – das ist das Großartige in der Militärseelsorge.
epd: Was sind häufige Bedürfnisse von Soldaten, die Seelsorge-Gespräche in Anspruch nehmen?
Felmberg: In der Bundeswehr sind viele junge Menschen, die gerade ins Berufsleben und in eine neue Familienphase starten. Darum drehen sich auch manche Gespräche. Das ist gar nicht so anders als bei anderen Menschen in dieser Situation. Und dann gibt es die berufsbedingten Themen: Was bedeutet die neue Bedrohungslage in Europa für Soldatinnen und Soldaten? Nehmen wir unsere Familien mit, wenn wir nach Litauen gehen? Wie gehe ich mit dem Druck um, wenn ich bei Übungen merke, dass ich wirklich für den Ernstfall übe? Was bedeutet die Gefahr des Soldatenberufes für mich – und für meine Familie?
epd: Wie können Militärpfarrerinnen und Militärpfarrer stärken und helfen?
Felmberg: Unser Dienst lässt sich mit diesen vier Begriffen beschreiben: begleiten, ermutigen, verkündigen, orientieren. Zunächst einmal sind wir einfach dabei. Unsere Geistlichen teilen den Alltag der Bundeswehr-Angehörigen. Nicht nur im Dienst zu Hause, sondern auch bei Übungen, Einsätzen und an Bord der Einheiten der Bundesmarine. Das ist die Voraussetzung für alles Weitere. In schwierigen Lebenslagen erleben wir die Kraft des Evangeliums. Das Wort Gottes gibt Menschen Vertrauen, ihr Leben in die Hand zu nehmen. Die Bundeswehr baut auf das Fundament der inneren Führung auf. Jeder, der weiß, dass er Entscheidungen treffen muss, die Konsequenzen für einen selbst oder andere haben, braucht einen verlässlichen ethischen Kompass. Das ist die Idee hinter dem lebenskundlichen Unterricht: den inneren Kompass stärken.
epd: Wie viele Pfarrerinnen und Pfarrer sind in der Militärseelsorge bundesweit tätig? Wie sieht es mit Nachwuchs aus?
Felmberg: Wir haben 100 evangelische Militärpfarrämter in Deutschland und vier weitere an Bundeswehr-Standorten in den USA, in Italien und Belgien. Obwohl Militärgeistliche nur befristet – in der Regel für sechs Jahre – von den Landeskirchen der EKD entsandt werden und wir eine entsprechend hohe Fluktuation haben, sind fast alle Pfarrstellen besetzt. Die Bewerbungslage ist gut, und ich bin dankbar für die hoch motivierten Pfarrerinnen und Pfarrer, die sich bei uns bewerben. Viele haben gute Erfahrungen in der Notfallseelsorge gesammelt.
epd: Militärseelsorger scheint also eine beliebte Tätigkeit zu sein …
Felmberg: Ja, der Dienst in der Militärseelsorge ist dadurch besonders attraktiv, dass die Geistlichen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können: Gottesdienste halten, Unterricht gestalten, Menschen seelsorgerlich begleiten. Und das mit einer Gemeinde, die überwiegend aus jungen Männern mit unterschiedlichen Bildungsbiografien besteht – eine Gruppe, die in vielen anderen Gemeinden eher unterrepräsentiert ist. Die Berufszufriedenheit ist hoch. Viele berichten, dass sie noch nie so viele Seelsorgegespräche geführt haben wie in der Militärseelsorge. Sie fühlen sich gebraucht und wertgeschätzt.
epd: Gibt es neue Herausforderungen?
Felmberg: Alle reden von der ‘Zeitenwende’. Es ist natürlich eine Herausforderung, plötzlich die Gefahren der Landes- und Bündnisverteidigung in den Blick zu nehmen. Allerdings sind Soldaten vielleicht die, die am wenigsten von dieser Entwicklung überrascht sind. Denn die Bundeswehr besteht seit 68 Jahren genau für diese Aufgabe. Jetzt aber entdeckt auch die Gesellschaft, wie ernst die Lage ist, und spiegelt das auch den Soldaten. Dadurch steigt die Bedeutung des Berufs. Aber es wächst auch die Angst, etwa der Angehörigen. Und das macht wiederum etwas mit den Bundeswehr-Angehörigen.
epd: Haben Soldaten heute mehr Ängste, in den Krieg ziehen zu müssen und äußern sie das in den Seelsorge-Gesprächen?
Felmberg: Seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist das Bewusstsein gestiegen, sich für Freiheit und Demokratie einzusetzen, um diese Werte zu verteidigen. Die veränderte gesellschaftliche Wahrnehmung gibt dem Beruf des Soldaten oder der Soldatin eine neue Ernsthaftigkeit und mehr Zustimmung. Man muss sich nicht mehr rechtfertigen, wenn man in Bundeswehruniform unterwegs ist. Über die neue Situation reden Soldatinnen und Soldaten – miteinander und auch mit den Geistlichen. Dafür sind wir da.