Fans falten die Hände, blicken nach oben in den Himmel – möge der Elfmeter doch im gegnerischen Tor versenkt oder am eigenen vorbeigehen. Stoßgebete für den Sieg der eigenen Mannschaft, religiös anmutende Rituale und reihenweise Fußballgötter. Ist das Stadion die wahre Kirche?
Nein, das Stadion ist nicht die wahre Kirche, tatsächlich sollten wir die Kirche im Dorf lassen. Und ernsthaft: Auch den Fußballgott, den ich zuweilen in meinen Reportagen erwähnt habe, gibt es so nicht. Solche Begriffe habe ich dann genutzt, wenn ich mir Dinge auf dem Rasen nicht erklären konnte – aber bitte immer mit einem Augenzwinkern.
In der Kirche geht es auch nicht immer ruhig und „gesittet“ zu. Ich habe Bilder von Kirchentagen gesehen und war als Journalist dort – wenn Sie junge Menschen sehen, wie sie ihren Glauben feiern, so sind da große Emotionen im Spiel. Auch wenn es in diesen Momenten kein Stadion gibt.
Abgesagt wegen Bibelstunde
Ich persönlich mag nicht krampfhaft irgendwelche Brücken zwischen Glauben und Fußball schlagen, wo es keine Brücken braucht. Im Gegenteil, ich habe immer dann ein Problem, wenn ich merke, Menschen nehmen den Sport, speziell den Fußball, zu ernst. Der erhält dann eine religiöse Überhöhung, wird möglicherweise zum einzigen Lebenssinn und Lebenszweck, das ist mir zu viel. Da geht mir das Kindliche, die schönste Nebensache der Welt sozusagen, verloren.
Und so verorte ich auch Glauben woanders, nicht in einem Stadion. Dort gehen Emotionen stark nach außen, die Fans toben laut, sie grölen und jubeln. Glaube geht tiefer. Auch die Seele soll tiefer sitzen, sagt man mir. Wenn Spitzensportler ihre Kraft aus dem Glauben holen – sie wollen immerhin Spitzenleistungen erzielen –, finde ich das großartig.
Als ich gemeinsam mit meinem Freund Béla Réthy beim ZDF gearbeitet habe, hat sich Folgendes zugetragen. Béla wollte nach einem Fußballspiel den Brasilianer Georginio, der für Bayer Leverkusen spielte, ins Sportstudio einladen. Georginio antwortete darauf: „Du Béla, heute kann ich nicht, habe Bibelstunde mit Heiko Herrlich.“ Das war so.