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Den Berg des Herrn stürmen

Friedensstifter in Ämter wählen. Gedanken zum Predigttext am 8. Sonntag nach Trinitatis. Von Manfred Moll, Pfarrer im Ruhestand in Berlin

Predigttext am 8. Sonntag nach Trinitatis: Jesaja 2,1–5

Dies ist das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, schaute über Juda und Jerusalem. Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des Herrn Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen, und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufgehen zum Berg des Herrn, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem. Und er wird richten unter den Nationen und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des Herrn!

Von Manfred Moll „Schwerter zu Pflugscharen.“ Aus christlicher Perspektive halte ich diese Verheißung des Jesaja nur für konsequent. Sie ist nicht metaphorisch und auch nicht eschatologisch gemeint, sondern sie beschreibt eine reale Option menschlicher Geschichte. So, wie Jesaja es schreibt, kann es kommen. Muss es kommen. Weil der Tag kommen wird, an dem Gottes Geschöpfe von der Freiheit Gebrauch machen werden, die ihnen mit der Auferstehung Jesu eröffnet ist. „Schwerter zu Pflugscharen.“ Aus christlicher Perspektive ist mit der Auferstehung Jesu die Macht des Todes gebrochen. Gewalt und Krieg haben keine Zukunft mehr. Ein Prozess der Verwandlung hat begonnen; das Leben und die Schöpfung und die Geschöpfe sind dazu befreit, die Mächte des Todes zu überwinden. Heute schon sind sie dazu befreit, aber sie haben ihre Freiheit noch nicht ergriffen; doch der Tag wird kommen, an dem sie das tun. An diesem Tag werden sie die Despoten, die Gewaltigen und Gewalttäter, in die Wüste jagen und Friedensstifter in Ämter wählen; und sie werden ihre Smartphones aus der Hand legen und einander ansehen. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.Das ist der Tag, an dem Gottes Geschöpfe die Konsequenz aus der Freiheit gezogen haben werden, die ihnen mit der Auferstehung Jesu eröffnet ist. Darum ist klar, dass der Text des Jesaja ein konkretes geschichtliches Geschehen beschreibt. Die „letzte Zeit“, wie Luther übersetzt, ist die noch ferne, verborgene Zukunft unserer Geschichte. Die aber immer näher rückt; nicht ewig fern bleibt wie der Sankt-Nimmerleins-Tag, sondern die eines Tages zur Gegenwart werden wird.

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