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Demografie-Experte: “Neue Alte brauchen neue Begegnungsorte”

In den kommenden Jahren braucht es nach Auffassung des Demografie-Experten David Menn neue Begegnungsorte für ältere Menschen. „Soziale Beziehungen und Teilhabe sind für ein gutes Leben im Alter unabdingbar“, sagte Menn, Programm-Manager der Hamburger Körber-Stiftung, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das zeige auch die neue Studie „Dritte Orte. Begegnungsräume in der altersfreundlichen Stadt“ von der Körber-Stiftung und dem Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, die im Rahmen des 14. Körber Demografie Symposiums am (heutigen) 2. November vorgestellt wird. Öffentliche Begegnungsorte könnten Stadtteilzentren, Schwimmbäder, Bibliotheken oder Cafés sein. „Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist es wichtiger denn je, dass Kommunen passende Orte für Ältere schaffen“, sagte der 32-Jährige.

Mit dem Ende der Erwerbstätigkeit fielen die Kontakte am Arbeitsort weg. Wenn gleichzeitig Kinder auszögen und das Zuhause einsamer werde, müsse es öffentliche Orte der Begegnung geben. „Ohne soziale Beziehungen und Austausch mit Mitmenschen drohen Einsamkeit und soziale Isolation“, sagte der Experte. „Mit der Alterung der Babyboomer-Generation wird die Zahl der von Einsamkeit gefährdeten Älteren drastisch zunehmen“, sagte Menn. Attraktive Treffpunkte seien hier eine wichtige Prävention und würden die Lebensqualität älterer Menschen verbessern.

„Der klassische Seniorentreff mit Kaffee und Kuchen ist ein Auslaufmodell“, erklärte der Experte. Insbesondere die Babyboomer-Jahrgänge würden sich ungern als Seniorinnen oder Senioren identifizieren, selbst wenn sie schon in Rente seien. Laut Studie interessieren sie sich für Treffpunkte, die zum aktiven Mitwirken einladen, Freiraum für Austausch, Kreativität, Lernen und neue Ideen bieten. „Hier müssen viele Kommunen nachbessern“, sagte der Demografie-Experte.

Oft könnten bereits bestehende Orte wie Gaststätten, Geschäfte oder Cafés kreativ genutzt werden, erklärt Menn. Altersgerecht seien etwa barrierefreie Gaststätten mit preiswerten Tagesgerichten oder Supermärkte mit „Plauderkassen“, bei denen ein kleiner Schwatz mit dem Personal erlaubt ist. Ein Vorreiter sei der niederländische Architekt Aat Vos, der sich darauf spezialisiert habe, Bibliotheken als neue städtische „Wohnzimmer“ ganzer Quartiere zu konzipieren. Die Bücherhallen Hamburg setzten schon heute auf literarische Spaziergänge, Vorlesenachmittage und Lesecafés für ältere Menschen.

Manche Bürgerhäuser und soziokulturelle Zentren hätten ihr Programm angepasst und lüden Ältere dazu ein, sich zu engagieren, selbst Kurse anzubieten, ein Café zu bewirtschaften oder sich um Kinder zu kümmern. „Es ist eine Herausforderung, Ehrenamtliche für die Treffpunkte zu gewinnen“, sagte Menn. Aktuell seien in diesem Bereich überwiegend Frauen für Frauen ehrenamtlich aktiv. „Neue Angebote wie Repair Cafés könnten vermehrt auch Männer überzeugen, sich einzubringen“, hofft der Experte.

Altersfreundliche Orte sollten nicht komplett durchstrukturiert, sondern offen für Ideen sein. „Kommunen fällt es meist etwas schwer, Anarchie zuzulassen“, beobachtet Menn. Es könne ein wichtiger Erfolgsfaktor sein, wenn der Ort unvorhergesehene Begegnungen auch mit anderen Kulturen oder auch nur entspanntes Zuschauen ermöglichen. Menn: „Die Orte sollten dazu einladen, hinzugehen und sich überraschen zu lassen.“