Freude über das Erreichte und Gedenken an die bestehenden Herausforderungen im Kampf um die Gleichberechtigung stehen im Zentrum eines ökumenischen Gottesdienstes am 8. März in der Sophienkirche in Berlin-Mitte. Im Gespräch mit Fabian Hahn berichtet Anne Borucki-Voß, katholische Theologin und Bildungsreferentin beim Ökumenischen Frauenzentrum „Evas Arche“, was die teilnehmenden Frauenverbünde aus katholischen und evangelischen Mitgliedern mit dem Gottesdienst erreichen möchte.
Frau Borucki-Voß, wie ist die Idee für den ökumenischen Gottesdienst anlässlich des Weltfrauentages entstanden?
Anne Borucki-Voß: Katholische und evangelische Frauen veranstalten seit vielen Jahren koordiniert vom ökumenischen Frauenzentrum „Evas Arche“ gemeinsam Gottesdienste, zweimal im Jahr: zum Internationalen Frauentag am 8. März und zum Aktionstag gegen Gewalt an Frauen am 25. November.
Der Weltfrauentag hat für uns eine doppelte Bedeutung: Wir feiern einerseits die Errungenschaften der Frauen und freuen uns darüber. Andererseits erkennen wir die anhaltenden Herausforderungen mit Blick auf die Gleichberechtigung, sowohl lokal als auch global. In diesem Jahr ist es uns wichtig, mit dem Thema „Habt Mut – Fordern wir unser Erbe ein“ eine Ermutigung auszusprechen – insbesondere angesichts der zahlreichen Schwierigkeiten, mit denen Frauen weltweit konfrontiert sind.
Der Zuspruch „Habt Mut“ spielt auf die alttestamentliche Erzählung von den Töchtern Zelofhads an. Warum haben Sie gerade diese eher unbekannte Geschichte gewählt?
Wir haben sie ausgesucht, weil sie ein eindrückliches Beispiel für das Einfordern von Rechten ist. Die Töchter Zelofhads (4. Mose 26-30) stellten sich mutig gegen die damals im Volk Israel geltenden Gesetze. Das Erbrecht war ausschließlich auf männliche Nachkommen beschränkt. Dennoch traten sie vor Mose, um den Anspruch auf das Land ihres verstorbenen Vaters geltend zu machen. Durch ihre öffentliche Forderung vor dem Zelt der Offenbarung erregten sie Aufmerksamkeit. Wie ich finde, eine kluge Vorgehensweise. Schließlich erhielten sie auch Gottes Zustimmung.
Wenn es später um die tatsächliche Verteilung des gelobten Landes geht, treten sie erneut auf den Plan: Nun fordern sie das von Gott versprochene Land ganz praktisch ein. Die Erzählung unterstreicht: Theoretisches Recht und die praktische Umsetzung fallen oft auseinander. Zudem zeigt sie, wie wichtig es ist, darauf zu bestehen, dass versprochene Rechte tatsächlich eingehalten werden. Insofern sind die Töchter Zelofhads eine Inspiration.
Ist die Überschrift des Gottesdienstes auch als Kampfansage zu verstehen?
Wir wollen uns nicht mit dem begnügen, was uns zugeteilt wird. Zum 75. Jubiläum des Grundgesetzes erinnern wir daran, dass die darin verankerte Gleichberechtigung hart erkämpft wurde. Diese Errungenschaft verdankt sich dem Engagement von Frauen wie Elisabeth Selbert, auf deren Drängen der Gleichberechtigungsgrundsatz aufgenommen wurde. Doch der Grundsatz allein reicht nicht aus; es muss weiterhin daran gearbeitet werden, bestehende Benachteiligungen abzubauen. Auf kirchlicher Seite denke ich an den Zugang von Frauen zu den Weiheämtern. Ähnlich wie die Töchter Zelofhads, die sich gegen (vermeintlich) göttlich legitimiertes Recht auflehnten und Gott um Klärung baten, fordern katholische Frauen heute ihr Recht auf Zugang zu Weiheämtern ein. Die Berufung von Frauen muss ernst genommen werden und der Zugang zu den Ämtern ermöglicht werden.
Welche Botschaft soll der Gottesdienst und die anschließende Zusammenkunft nach außen transportieren?
Ich habe drei Botschaften im Kopf: Erstens, die Ermutigung von Frauen durch ihren Glauben an Gott und die Bildung einer Gemeinschaft christlicher Frauen, die ausstrahlt. Zweitens, dass es ein fröhliches und positives Ereignis sein soll. Und drittens, den Einsatz christlicher Frauen weltweit für die Rechte von Frauen sichtbar zu machen. Der zunehmende Zuspruch zu diesem Event seit der Einführung des gesetzlichen Feiertags am 8. März in Berlin ist erfreulich. Der Gottesdienst wird von Frauen organisiert und lädt alle Interessierten ein.