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Das christliche Duo, das es auf Platz 1 der deutschen Charts schaffte

Platz 1 mit christlicher Botschaft: Das Brüderduo O’Bros aus München kombiniert Glauben mit Popkultur – und landet damit einen Charts-Erfolg. Was steckt hinter den Christ-Rappern?

Im April schafften es zwei christliche Rapper auf den ersten Platz der deutschen Album-Charts: Maximilian und Alexander Oberschelp. Das Duo – genannt O’Bros – stammt gebürtig aus München. In ihren Liedern singen die 29- und 27-Jährigen über Selbstzweifel, Angst und Gott. “Wenn ich zu keinem ehrlich bin – dann zumindest zu Gott”, heißt es etwa im Titelsong des Albums “To be Honest” (“um ehrlich zu sein”).

Anders als man es klischeemäßig vielleicht von christlichen Sängern erwarten würde, setzen die jungen Männer auf aktuelle Modetrends und eine lockere Sprache: etwa bedruckte T-Shirts und Hoodies mit der Aufschrift “CHVRCHIES”, dazu Jeans und weiße Sneaker. Und im Text setzen sie stark auf Anglizismen: “Zerrissen wegen Heart Break (Herzschmerz) und Chartbreak (Musikhit), 180 Heart Race (Herzrasen), bleibst nur am Leben wegen God’s Grace (Gottes Gnade).” Auf Instagram zieht diese Kombi aus bürgerlichem Rap und hippem Auftritt bisher schon mehr als 125.000 Follower an.

Alles nur Fassade oder real? Martin Fritz, wissenschaftlicher Referent bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin, rechnet die O’Bros einer global vernetzten neocharismatischen Bewegung zu: “Typisch für neocharismatische Gruppen ist die pop-kulturelle Vermittlung von Religion.” Fast immer gebe es eine Bühne mit einer Band, die die Zuschauer emotional mitreißen will. Dazu gehöre ein missionarischer Anspruch – also das Ziel, Interessierte für die religiösen Überzeugungen zu begeistern.

Anhänger des neocharismatischen Christentums verträten in der Regel sehr traditionelle Werte, ergänzt Fritz. Homosexualität werde abgelehnt, ein traditionelles Familienmodell vertreten.

Über die Prägung der O’Bros ist allerdings wenig bekannt. In einem ZDF-Interview wurden sie gefragt, für welchen Glauben sie stehen, was sie von Schwangerschaftsabbrüchen halten und ob eine Beziehung immer aus Frau und Mann bestehen muss. “Wir versuchen, das zeitgemäß zu verpacken, aber in der Wurzel hat sich wirklich nichts verändert”, antwortete Maximilian. Außerdem sei die Bibel kein Regelbuch, obwohl das leider viele Christen so verstünden. Zwei Regeln seien wichtig: Gott und seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst.

Außer in der breiten Öffentlichkeit sind die christlichen Musiker auch in neocharismatischen Kreisen aktiv. Im Januar traten sie auf dem Augsburger “Zimzum”-Festival auf. Initiator Johannes Hartl, der zugleich Leiter des Augsburger Gebetshauses ist, hatte Journalisten den Zugang zur Veranstaltung verwehrt. Nach Ansicht von Fritz ist Hartl nicht nur in der neocharismatischen Szene vernetzt, sondern auch in der rechtskonservativen.

Für Anfragen der KNA – auch zu eher kritischen Aspekten – hatten die O’Bros laut Management keine Zeit. Stattdessen verwiesen sie auf eine Einladung zu einem der von ihnen mitgestalteten Gottesdienste, der ihre Werte widerspiegele. Darin schreiben sie unter anderem: “Wir sind überzeugt: Die Hoffnungsbotschaft von Ostern ist zeitlos relevant – für alle Menschen, unabhängig von Herkunft, Weltanschauung oder Glaube. Unsere Überzeugung wurzelt in einer christlichen Perspektive, die für Einheit, Nächstenliebe und Versöhnung steht – und gegen Ausgrenzung, Polarisierung und Angst.”

Das klingt anders als das, was das aufstrebende Duo 2019 im Gespräch mit dem Jugendprogramm “Puls” sagte: “Wir polarisieren. Das war uns von vornherein bewusst.” Sonst werde man nicht christlicher Rapper. “Außerdem ist Polarisieren ja auch gut, es ist ein gutes Zeichen. Jesus hat auch polarisiert.” Denn die einen wollten ihn damals töten, die anderen hielten ihn für Gottes Sohn, erklärten die Brüder. Dass sie in den Sozialen Netzwerken wahrgenommen werden, finden sie gut: “Es zeigt, dass wir von dem, was Jesus getan hat, gar nicht so weit weg sind.”

Experte Fritz ordnet das Ganze so ein: Auf der einen Seite wollten die Sänger ein breites Publikum ansprechen. Um im Mainstream erfolgreich zu sein, sei es schwierig, zum Beispiel offen homophobe Positionen zu vertreten. Andererseits hätten “die Bros” aber auch unter evangelikalen Anhängern eine feste Fanbase, mit der sie es sich nicht verscherzen wollten.

Die Szene insgesamt macht dem Evangelikalismus-Experten Sorgen. Als Gefahr für eine offene Gesellschaft sieht Fritz die O’Bros aber nicht: “Diese insgesamt doch recht harmlose Musik ist kein Grund für Alarmismus.”