Wer in 50 Jahren an die Corona-Pandemie erinnern will, muss jetzt sammeln. Sönke Knopp vom Museum für Hamburgische Geschichte ist seit März 2020 dabei. Für eine eigene Ausstellung ist es allerdings noch viel zu früh.
Hamburg (epd). Im traditionsreichen Pflegeheim «Hospital zum Heiligen Geist» wurde am 27. Dezember 2020 die erste Hamburgerin gegen das Coronavirus geimpft. Die leere Glasampulle für den Impfstoff hat sich Sönke Knopp für seine Sammlung gesichert. Der 35-jährige Kulturanthropologe ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Museum für Hamburgische Geschichte und sammelt seit März 2020 Exponate aus der Corona-Zeit. Wann das Museum die erste Covid-19-Ausstellung eröffnet, ist aber noch völlig offen.
Derzeit sucht Sönke Knopp nach charakteristischen Objekten im Hamburger Impfzentrum. Es ist das bundesweit größte und soll Ende August geschlossen werden. Charakteristisch für den Raum ist gerade seine schlichte Zweckmäßigkeit. Zugleich gibt es kaum ein Gebäude, das so viele Hamburger in den vergangenen Wochen besucht haben.
Kennzeichen der Corona-Auswirkungen auf den Alltag ist bis heute, dass den Menschen etwas fehlt: Reisen waren untersagt, Geschäfte geschlossen, Kinderspielplätze leer und Partys verboten. Für jemanden, der Exponate sucht, bringt das besondere Probleme mit sich. Bei einem Ereignis werde in der Regel etwas aufgebaut und dann hinterlassen, sagt Sönke Knopp. «Bei der Pandemie ist nichts da.»
Viele Menschen werden sich erinnern, dass in den ersten Wochen der Pandemie Toilettenpapier knapp wurde. Fotos von leeren Regalen sind für eine Museumssammlung jedoch nur zweitbeste Wahl. In einem Geschäft im Schanzenviertel hat Sönke Knopp im Supermarkt ein Set Toilettenpapier «Puffi» erstanden, dessen Aufdruck rein auf polnisch war. «Ein Hinweis, dass die Warenströme in dieser Zeit offenbar umgeleitet wurden.» Ein Desinfektionsmittel, das eigentlich gegen Keime und Viren aller Art hilft, bekam den werbewirksamen Aufdruck «Sars CoV-2»
Die legendäre Kiez-Kneipe «Elbschlosskeller» am Hamburger Berg war 70 Jahre lang Tag und Nacht geöffnet. Als während des ersten Corona-Lockdowns auch der «Elbschlosskeller» dichtmachen musste, funktionierte das Schloss nicht mehr. Ein neues musste eigens eingesetzt werden – das alte Schloss lagert nun in Sönke Knopps Sammlung.
In der Ecke seines Büros am Park «Planten un Blomen» steht ein menschengroßes buntes Coronavirus aus Stoffen auf einem Ständer. Das Thalia-Theater wollte es im Herbst 2020 in seinem Stück «Network» einsetzen, nahm dann aber von der humoristischen Einlage Abstand. Daneben lehnen meterhohe miteinander verflochtene violette Schwimmnudeln an der Wand: Die Ensemblemitglieder des Hamburger Schauspielhauses nutzten sie bei den Proben. Knopp: «Damit konnten sie den notwendigen Abstand von 1,50 Meter einhalten.»
Fast in Vergessenheit ist geraten, dass Schleswig-Holstein im ersten Lockdown den Hamburgern die Einreise für Spaziergänge und Ausflüge untersagte. Das Amt Hohe Elbgeest hinter der östlichen Stadtgrenze klemmte im März 2020 entsprechende Warnhinweise hinter die Scheibenwischer von Fahrzeugen mit Hamburger Kennzeichen. Auch einen dieser Zettel hat Knopp für die Nachwelt aufbewahrt.
Gesammelt hat er selbstverständlich auch Masken – kreativ selbstgeschneidert oder als Werbeträger genutzt. Daneben liegen Zeitschriften und Infoblätter von Corona-Leugnern. Knopp: «Ich finde, auch dieser Aspekt darf in einer Sammlung zur Corona-Pandemie nicht fehlen.» Einen humorvollen Umgang hat das Hamburger Designer-Duo Valerie Schäfers und Patrick Folkerts gefunden, mit «Covid Navidad»
und «Eau des Coron» in festlicher Geschenkverpackung.
Das Museum wird alle Gegenstände erst einmal sammeln. Jedes Teil wird beschrieben, digital erfasst und dann im Depot des Museums bei den anderen rund 500.000 Objekten untergebracht. Gut möglich, dass einige Exponate in die geplante neue Dauerausstellung des Museums aufgenommen werden. Eine Corona-Sonderschau sei aber zurzeit nicht geplant, sagt Sönke Knopp: «Dafür ist es einfach noch zu früh.»