„Einer reiht sich an den andern, dass nicht ein Lufthauch hindurchgeht. Es haftet einer am andern, sie schließen sich zusammen und lassen sich nicht trennen.“ So poetisch lobt das biblische Buch Hiob einen Zustand, der zurzeit in Frankfurt (Oder) und seiner Nachbarstadt Słubice etwas lakonischer ersehnt wird: „Nichts kann uns trennen“. Die Bekräftigung ist das Leitmotiv der Christlichen Begegnungstage 2024, die am Freitagabend, 7. Juni, beginnen und am Sonntag, 9. Juni, zu Ende gehen.
Gastgebende Kirchen sind die Evangelische Kirche Berlin Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) und die Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen (EAKiP). Die offizielle Einladung zu diesen Begegnungstagen wurde, neben Deutsch, in polnischer, ungarischer, tschechischer und slowakischer Sprache versandt und sie erreichte auch Christinnen und Christen in Österreich.
4000 Besucherinnen und Besucher erwartet
Seit den ersten Christlichen Begegnungstagen in Görlitz 1991 haben sich diese Treffen als eine Art internationaler Kirchentag etabliert, der besonders katholische und evangelische Christen in Ost- und Mitteleuropa anspricht. Der geografische Schwerpunkt ist gut an den Städten zu erkennen, in denen die Begegnungstage bisher – ungefähr alle 3 oder 4 Jahre – veranstaltet wurden: zuletzt waren das Budapest, Wroclaw, Dresden und Prag. Das Treffen in Graz musste wegen Corona abgesagt werden.
Auch in Frankfurt (Oder) und in Słubice werden in diesem Jahr mindestens 2000 (meist evangelische) Besucherinnen und Besucher aus Osteuropa erwartet, hinzu kommen 2000 Gäste, die aus Deutschland anreisen werden. Übernachtungsgäste kommen in Hotels und Pensionen unter, aber auch –und das ist besonders beliebt – bei Privatleuten in und um Frankfurt (Oder). Wer aus Ländern des ehemaligen Ostblocks anreist, kann mit ermäßigten Preisen rechnen.
Speisung der 4000 vom Marktplatz bis zur Oder-Promenade
Für alle, die kommen, gibt es ein attraktives Programm, in dem sich viele religiöse Themen mit Veranstaltungen verbinden, welche die gesellschaftliche, kulturelle und politische Situation entlang von Oder und Donau reflektieren. „Ich bin besonders gespannt auf den ‚Techno-Gottesdienst‘ in der Frankfurter Friedenskirche“, freut sich Mandy Timm, eine der Verantwortlichen der Christlichen Begegnungstage und ergänzt: „Kirche und Techno, laute Musik und Discokugel stelle ich mir spannend und bereichernd vor, nicht nur für junges Publikum. Wir werden die Friedenskirche rocken.“ Platten auflegen werden Pfarrer Jiří Šamšula aus Třebenice in Tschechien und Pfarrer Viktor Weber aus Berlin, predigen wird Landesbischof Tobias Bilz aus Dresden.
Der Eintritt zu diesem freitäglichen Event ist kostenlos. Wer an den Veranstaltungen des nächsten Tages teilnehmen will, braucht ein Tagesticket (für Einzelpersonen 19 Euro, für Familien 29 Euro). Überall in der Stadt kann man an Informationsständen Tickets erwerben. Eintrittsbänder berechtigen auch dazu, an zwei Mahlzeiten teilzunehmen. Eine dieser „Verköstigungen“ ist zugleich ein weiterer Höhepunkt der Begegnungstage: Am Samstag von 18.30 bis 19.30 Uhr gibt es die „Speisung der 4000“. Das ist eine rekordverdächtige Tafel für ein Abendessen, die sich über einen Kilometer vom Marktplatz bis zur Oder-Promenade erstreckt und gemeinsamem Essen mit internationalen Speisen einlädt. Damit dieses ehrgeizige Ziel verwirklicht werden kann, sind viele Ehrenamtliche im Dienst, darunter auch christliche Pfadfinder aus nah und fern.
„Hat Kirche eine Zukunft?“ und „wie wird Kirche inklusiver?“
Weder die zumeist evangelischen Christinnen und Christen, die nach Frankfurt und Słubice anreisen, noch die Veranstalterteams wollen sich im Stadtbild verstecken – im Gegenteil. Man will sich und seine Talente öffentlich präsentieren, über Kirche(n) und Religiosität mit allen debattieren, die neugierig sind. Das wird mit klassischen Bibelarbeiten geschehen, teils polnisch und deutsch, teils ungarisch, tschechisch und slowakisch, verteilt auf Veranstaltungsräume überall in der Stadt.
Dem schließen sich jeweils halbstündige Diskussionen an, die unter anderem den gefährdeten Frieden in unserer Welt thematisieren, auch die Lage der osteuropäischen Nationen im Angesicht des verbrecherischen Krieges Russlands gegen die Ukraine. Auffällig ist, wie intensiv sich die Christinnen und Christen mit der Lage ihrer Kirchen in einem Umfeld beschäftigen wollen, das –nicht nur in Deutschland – immer kirchenferner wird. „Hat Kirche eine Zukunft?“ „Wie wird Kirche inklusiver?“, „Kraft ziehen aus der Diaspora?“, „Sind wir noch zu retten? Die Rolle der Kirchen für die ökologische Transformation“, „Kirchliches Leben in Stadt und Ländern“, „Der Beitrag der Kirchen zur Zukunft Europas“ – das sind nur einige Beispiele aus einer Palette von Gesprächsangeboten, mit denen die Christinnen und Christen in der Diaspora Flagge zeigen und mit sich reden lassen wollen – selbstkritisch und selbstbewusst zugleich.
Lieder in allen Sprachen
Wo Christinnen und Christen sich begegnen, da darf die Musik nicht fehlen. Daran wird auch während der Begegnungstage in Frankfurt und Słubice festgehalten. Zu den Höhepunkten dürften „Vereint in der Musik. Konzert der Chöre aus fünf Ländern“ gehören, das Großkonzert „Gefährlich fremde Blasmusik“, alte Volkstänze und junger Jazz sowie „Kommt und singt Lieder in allen Sprachen der CBT-Länder!“ – ein gemeinsames Singen unter der Leitung des Berliner Kantors Tobias Brommann.
Die Begegnungstage beschließt ein Abschlussgottesdienst auf dem Brunnenplatz mit polnischen, deutschen und ukrainischen Geistlichen. Das Motto des Gottesdienstes ist, selbstverständlich: „Nichts kann uns trennen“.