Der chilenische Justizminister Jaime Gajardo hat am einen Plan zur teilweisen Enteignung der ehemaligen deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad vorgestellt. Fünf Bereiche und dazugehörende Verbindungswege innerhalb der 183 Hektar großen Landfläche in Chile sollen enteignet werden, sagte der Minister auf einer Pressekonferenz in Parral. Der ebenfalls anwesende Minister für Wohnungsbau, Carlos Montes, erklärte, man werde den Ort in ein nationales Zentrum zur Erinnerung umwandeln.
Von den Plänen betroffen sind das Zentrum der Siedlung mit dem Wohnhaus des Sektenführers Paul Schäfer, der als Folterzentrum genutzte Kartoffelkeller und das siedlungseigene Krankenhaus, in dem Siedlungsbewohner unter Zwangsmedikation gestellt wurden.
Colonia Dignidad: Siedlungsbewohner leben bis heute auf Gelände
Seit 2017 existiert eine deutsch-chilenische Expertenkommission, die unter anderem die Umwandlung der zentralen Gebäude in eine Gedenkstätte vorgeschlagen hat. Ein Teil der Siedlungsbewohner lebt bis heute auf dem Gelände und betreibt unter anderem einen Restaurant- und Hotelbetrieb in den Häusern, die enteignet werden sollen. Bereits im Vorfeld hatten sie kritisiert, dass ihnen als Opfer Paul Schäfers durch die Enteignung ein wichtiger Lebensunterhalt entzogen werde.

Karen Cea von der Menschenrechtsorganisation für Erinnerung und Menschenrechte in der Colonia Dignidad, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), dass dies ist ein historischer Schritt sei. Als Organisation habe man lange Zeit dafür gekämpft, diesen Ort öffentlich zugänglich zu machen. Seit Jahren forderten verschiedene Menschenrechtsorganisationen und Opfervertretungen eine Enteignung der Siedlung und kritisierten die Regierung für ihr langsames Handeln. Erst am Sonntag hatten sie eine gemeinsame Pressemitteilung veröffentlicht, in der sie kritisierten, dass nach der Ankündigung einer Enteignung durch den chilenischen Präsidenten Gabriel Boric vor knapp neun Monaten keine weiteren Schritte erfolgt seien.
Die Ankündigung der Regierung erfolgt nun kurz vor dem Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Chile. Dieser hatte 2016 als damaliger Außenminister erstmals eine historische Schuld des Auswärtigen Amtes im langen Bestehen der Siedlung eingestanden.