Vor allem Notaufnahmen und Pflegepersonal sind betroffen. Krankenhäuser in Deutschland beklagen wachsende Gewaltbereitschaft von Patienten. Der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft erläutert möglich Gegenmaßnahmen.
Immer wieder klagen deutsche Kliniken und Gesundheitseinrichtungen über zunehmende Gewalt gegen ihr Personal. Das Klinikum Dortmund erwägt jetzt sogar, in potenziell eskalierenden Situationen Bodycams einzusetzen – nach dem Vorbild der Polizei. Über Vor- und Nachteile solcher Lösungen äußert sich der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
KNA: Herr Gaß, das Klinikum Dortmund überlegt, sein Personal künftig mit Bodycams auszustatten – aus Sicherheitsgründen. Haben Sie als Deutsche Krankenhausgesellschaft genauere Zahlen zu Gewalt-Vorfällen in Krankenhäusern?
Gaß: Zentrale Register oder Ähnliches gibt es nicht. Hinzu kommt, dass wahrscheinlich viele minderschwere Fälle, vor allem verbale Gewalt, gar nicht angezeigt werden. Umfragen des Deutschen Krankenhaus-Instituts aus den Jahren 2023 und 2024 ergaben, dass drei von vier Krankenhäusern steigende Zahlen von Übergriffen verzeichnen. In 91 Prozent der Krankenhäuser gab es bereits Übergriffe in den Notaufnahmen, weit überwiegend ist der Pflegedienst betroffen.
KNA: Wie erklären Sie sich diese zunehmende Gewaltbereitschaft?
Gaß: Ganz offensichtlich ist die Hemmschwelle für Gewalttaten gesunken. Erschreckend ist, dass es zunehmend diejenigen trifft, deren ganze Tätigkeit eigentlich darauf ausgerichtet ist, anderen zu helfen, seien es Feuerwehrleute, Rettungssanitäter oder eben Ärzte und Pflegekräfte. Wir haben es mit einem gesamtgesellschaftlichen Problem zu tun, das am Ende diejenigen auszubaden haben, die dafür am wenigsten verantwortlich sind. Hinzu kommt, dass gerade die Notaufnahmen, in denen die meisten Übergriffe stattfinden, chronisch überlastet sind. Wegbrechende niedergelassene Versorgung und fehlende Patientensteuerung sorgen dort für teilweise extrem lange Wartezeiten. Das führt zu Frust und Aggression, vor allem bei denen, die das System der Triage nicht verstehen, dass “first come, first serve” in der Notaufnahme nicht funktioniert. Wir hoffen, dass die geplante Reform der Notfallversorgung hier für Entspannung sorgt – auch wenn die Situation in den Notaufnahmen auf keinen Fall die Gewalt rechtfertigen oder entschuldigen kann.
KNA: Ist die Klinik in Dortmund die erste bundesweit, die Mitarbeiter mit Bodycams schützen will?
Gaß: Dass an einem Krankenhaus Bodycams eingesetzt werden, ist uns bislang nicht bekannt. Unseres Wissens steht auch das Klinikum Dortmund noch in der Planungsphase und setzt die Bodycams noch nicht ein. Andere Krankenhäuser sichern sich aber auf verschiedene Weise abhängig von der konkreten Bedrohungssituation ab. Dazu zählen unter anderem Sicherheitsdienste, bauliche Sicherheitsvorrichtungen, Besetzung von Schichtdiensten mit kräftigen Pflegern oder Deeskalations- und Selbstverteidigungskurse.
KNA: Würden Sie als Deutsche Krankenhausgesellschaft den Einsatz von Kameras befürworten?
Gaß: Welche Sicherheitsmaßnahmen sinnvoll sind, können am besten die Krankenhäuser anhand ihrer individuellen Situation entscheiden. Insofern geben wir keine Empfehlungen heraus. Grundsätzlich nehmen aber Videoüberwachungen in allgemeinen Aufenthaltsbereichen eines Krankenhauses zu. In Behandlungsbereichen gibt es üblicherweise keine Videoüberwachungsanlagen.
KNA: Da gibt es ja auch finanzielle Aspekte…
Gaß: Ja, denn keine der Sicherheitsmaßnahmen an den Krankenhäusern ist gegenfinanziert. Angesichts der aktuellen schwierigen wirtschaftlichen Lage vieler Kliniken belasten die teils hohen Ausgaben die Kliniken immens. Hier muss die Politik für einen Ausgleich sorgen, denn es kann nicht sein, dass die Beschäftigten der Krankenhäuser gesellschaftliche Fehlentwicklungen am eigenen Leib ausbaden müssen und die Krankenhäuser auch noch in Schieflagen geraten, wenn sie ihre Belegschaften schützen wollen. Krankenhäuser können die steigende Gewalt-Problematik nicht lösen, die Ursachen liegen anderswo. Hier ist die Politik gefragt.
KNA: Bei Überwachungskameras in Gesundheitseinrichtungen stellt sich ja auch die Frage nach dem Datenschutz. Wie bewerten Sie das?