Eigentlich hatte niemand mehr damit gerechnet: SPD, Grüne, FDP und Union haben sich doch noch auf einen Gesetzentwurf zum besseren Schutz von Kindern vor Missbrauch geeinigt.
Der Bundestag stimmt am Freitag doch noch über einen Gesetzentwurf zum besseren Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt ab. Bis zuletzt war unklar, ob die Abgeordneten noch in dieser Wahlperiode darüber entscheiden. SPD, Grüne, FDP und Union verständigten sich erst am späten Dienstagnachmittag darüber. Verschiedene Verbände und Einrichtungen sowie die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, zeigten sich am Mittwoch erleichtert. Die Aufarbeitungskommission betonte zugleich, dass das Gesetz nur ein erster Schritt sein könne, nach der Bundestagswahl müssten weitere folgen.
Mit dem Gesetz sollen die Rechte Betroffener sowie die Rolle der Aufarbeitungskommission gestärkt werden. So sollen Betroffene etwa ein Recht auf Akteneinsicht in den Jugendämtern erhalten. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung soll in Zusammenarbeit mit den Ländern wissenschaftlich abgesicherte und bundeseinheitliche Angebote, Materialien und Medien zur Prävention entwickeln. Außerdem sollen Betroffene Akteneinsicht bei den Jugendämtern erhalten.
Der oder die zuständige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung soll im Bundestag regelmäßig berichten zum Ausmaß sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche sowie über Prävention, Unterstützungsangebote, Forschung und Aufarbeitung.
Die Vorsitzende der unabhängigen Aufarbeitungskommission, Julia Gebrande, sprach von einem starken Zeichen für die Aufarbeitung von sexuellem Kindesmissbrauch. Die kommende Regierung müsse aber weitere Punkte in ihrem Koalitionsvertrag berücksichtigen. So sollten alle Betroffene ein umfassendes Akteneinsichtsrecht erhalten. Dies dürfe nicht nur für die Kinder- und Jugendhilfe gelten, sondern müsse auch andere Bereiche wie Schule, Sport und Kirchen mit einbeziehen und möglichst niedrigschwellig gewährt werden. Zudem solle die Aufarbeitungskommission das Recht erhalten, dass Institutionen bekanntgewordene Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs umfassend aufarbeiten können.
Der Betroffenenrat, der bei der Missbrauchsbeauftragten angesiedelt ist, betonte, das Gesetz sei ein entscheidender Schritt hin zu einer Gesellschaft, in der Prävention, Schutz, Hilfen, Aufarbeitung und institutionalisierte Betroffenenbeteiligung als eine selbstverständliche Daueraufgabe staatlichen Handelns gesetzlich – und damit verbindlich – geregelt würden. Es sei der Beginn einer staatlichen Verantwortungsübernahme und ein Bekenntnis dafür, dass das Thema nicht mehr von der politischen Agenda verschwinde.