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Bundespräsident zum Weltkriegsgedenken: Kein Schlussstrich

Bei einer Gedenkstunde im Bundestag hat Staatsoberhaupt Steinmeier für eine lebendige Erinnerungskultur geworben. Er kritisierte AfD-Abgeordnete, die ein Ende der Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte fordern.

80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor Geschichtsvergessenheit gewarnt. “Unsere Geschichte ist ein kostbarer Erfahrungsschatz”, sagte Steinmeier am Donnerstag bei einer Gedenkstunde im Bundestag. “Wir wissen, wohin Abschottung führt, aggressiver Nationalismus und die Verachtung von demokratischen Institutionen.” Den 8. Mai bezeichnete das Staatsoberhaupt als Tag der Befreiung, der zugleich zum Kern der gesamtdeutschen Identität gehöre.

“Es waren Deutsche, die diesen verbrecherischen Krieg entfesselt und ganz Europa mit in den Abgrund gerissen haben. Es waren Deutsche, die das Menschheitsverbrechen der Schoah begangen haben. Und es waren Deutsche, die nicht willens und nicht fähig waren, selber das Joch des NS-Regimes abzuwerfen”, betonte Steinmeier. “Daran erinnern wir, wir Deutsche, heute, 80 Jahre später. Wir wissen: Dieser Tag hat unser Land zutiefst geprägt. Wir sind alle Kinder des 8. Mai”, zitierte er einen Satz des Philosophen Jürgen Habermas.

Heute stelle sich nicht mehr die Frage, ob der 8. Mai Deutschland befreit habe, sagte Steinmeier. “Aber wir fragen: Wie können wir frei bleiben?” Er selbst wundere sich manchmal über die Hartnäckigkeit, “mit der manche, leider auch in diesem Hause, einen sogenannten ‘Schlussstrich’ unter unsere Geschichte und unsere Verantwortung fordern”, fügte Steinmeier hinzu.

Entsprechende Rufe werden unter anderem immer wieder aus den Reihen der AfD erhoben. Die vom Verfassungsschutz in Teilen als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Partei stellt 151 Abgeordnete im Bundestag und ist damit nach der Union die zweitstärkste Fraktion.

In eindringlichen Worten warb Steinmeier für eine lebendige Erinnerungskultur. “Flüchten wir nicht aus unserer Geschichte. Werfen wir ihre Lehren gerade dann nicht über Bord, wenn sie uns etwas abverlangen.” Ihn selbst habe es tief berührt, als ihn in Warschau beim Gedenken an den Aufstand dort vor 80 Jahren eine Überlebende bei der Hand nahm und sagte: “Polen und Deutschland sind heute Freunde. Nie hätte ich mir das vorstellen können.” Steinmeier weiter: “Es ist so unendlich viel, was wir mit Versöhnung erreichen können und was wir erreicht haben. Lassen Sie uns weiter dafür arbeiten!”