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Börsenbeben und Panikverkäufe – So behalten Anleger einen kühlen Kopf

Die jüngsten Kursstürze versetzten Anleger in Aufruhr. Finanzpsychologin Julia Thiele erklärt, wie man trotz roter Zahlen emotional stabil bleibt – und langfristig sogar davon profitieren kann.

Nur Hartgesottene haben es zu Wochenbeginn geschafft, nicht ihre Aktienportfolios zu checken. Die Zollpolitik Donald Trumps sorgte für ein Börsenbeben, bei den Neobrokern Scalable und Trade Republic brach Medienberichten zufolge unter dem Ansturm der Anleger am Montag zeitweise die Technik zusammen. Der Dax stürzte zunächst um mehr als zehn Prozent ab, Dienstag knackte er schon wieder die 20.000-Punkte-Marke. Wie können Anleger in diesen Zeiten Ruhe bewahren?

“Der Kurssturz hat bei vielen Menschen Unsicherheit ausgelöst. Sie fürchteten um ihre Gewinne und mancher vielleicht sogar um seine Altersvorsorge”, erklärt Julia Thiele, Finanzpsychologin, auf Nachfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Dabei wissen wir doch eigentlich alle, dass die Kurse an der Börse immer schwanken und wir nur eine Momentaufnahme sehen.”

Aktive Händler würden diese Volatilität sogar wollen. “Und passive Anleger wie Sparer sind Langzeitanleger und nutzen negative Schwankungen, um Cost-Average-Effekte mitzunehmen”, sagt die Expertin, die psychologische Coachings für Finanzmarkthändler anbietet. Der Effekt beschreibt, dass Anleger bei fallenden Kursen mehr Anteile für ihr Geld erwerben, bei steigenden Kursen weniger Anteile. Dadurch besteht die Chance, Vermögen aufzubauen und Verluste zu mindern.

Wen die starken Kursbewegungen und die roten Zahlen im eigenen Portfolio derzeit in Panik versetzen, dem rät Thiele, das eigene Denken zu hinterfragen. “Es hilft, die eigenen Gedanken aufzuschreiben und zu überlegen, was für einen Verkauf, für einen Verbleib oder Abwarten spricht.” Wenn man dabei merke, dass vor allem Gefühle regierten, sollte man sich klar machen, dass von Angst beeinflusste Gedanken schlechte Ratgeber seien. “Adrenalingepushte, emotionale Anlageentscheidungen helfen nicht”, betont Thiele.

Besser sei es, sich klar zu machen, dass die Welt und die Aktienkurse in vier Monaten vielleicht schon wieder anders aussehen würden. Zudem sollte man sich fragen, was einen im Nachgang stolz machen würde. “Zum Beispiel, wie mental stark man mit der Situation umgegangenen ist, auch wenn Fehler passieren.”

“Man kann sich auch erinnern, wie man in anderen Lebensbereichen mit Verlustsituationen umgegangen ist”, empfiehlt die Psychologin. Was hat damals geholfen, um ruhig zu bleiben, wie hat man die Situation damals überwunden? “Wenn wir den Fokus auf uns selbst legen, können wir besser im Einklang mit den eigenen Investmentzielen entscheiden. Reue ist eher eine Folge von unbewusst getroffenen, panikartigen Entscheidungen.” Bevor ein Anleger ganz aus Investitionen aussteigt, kann er Thiele zufolge zumindest eine Teilposition laufen lassen, also beispielsweise nur seine Aktienstückzahl reduzieren.

Laut Thiele lässt sich aus der Erfahrung sogar Positives ziehen: “Der Stress kann uns helfen, uns wieder konzentriert mit dem Thema Finanzen zu beschäftigen, mit unserer eigenen Geldanlage.” Die Coachin rät weiter, die eigenen Lernerfahrungen aus dem Börsenbeben aufzuschreiben. “Was hat mir geholfen, welche Informationen waren qualitativ hochwertig, welche Ausstiegsregeln habe ich mir gesetzt?”, gibt sie Beispiele. Das Gehirn brauche solche Erfahrungen, um daraus zu lernen und später darauf zurückgreifen zu können. “Ich kann nur dazu raten, das nachzuhalten. Denn die nächsten Schwankungen kommen bestimmt.”